Für wenig Lohn und einen Titel
Nach dem Abschluss zu doktorieren, lohnt sich finanziell nicht. Ausser einen akademischen Titel gibt es an der Uni wenig zu gewinnen.
Der Universitätsabschluss ist fast nirgendwo so wenig wert wie an der Universität selber. Zumindest in finanzieller Hinsicht. Wer sich dazu entscheidet, nach dem Master an der Uni zu bleiben, um eine Assistenzstelle anzutreten, verdient maximal 90'000 Franken im Jahr – sofern sie oder er das Glück hat, Vollzeit angestellt zu werden. Doch dieses Glück wird nur wenigen zuteil. In der Regel bewegt sich die Bezahlung eher um 53'000 Franken herum.
Selbe Qualifikation, mehr Lohn
So ist es kein Wunder, dass viele der Angestellten im Mittelbau mit ihrer Bezahlung unzufrieden sind. Der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) hat letztes Jahr eine Lohnumfrage an der Uni durchgeführt. Diese hat ergeben, dass von den befristet im Mittelbau Angestellen – und das sind die meisten Assistierenden – nur 17 Prozent mit ihrer Bezahlung einverstanden sind. Alle anderen haben «sehr unzufrieden», «unzufrieden» oder «tendenziell unzufrieden» angekreuzt.
«Wer reich werden will, bleibt gewiss nicht an der Uni», bestätigt Hans Rudolf Schelling von der Gruppe Universität der Gewerkschaft VPOD und Geschäftsführer des Zentrums für Gerontologie. Und er muss es wissen. Schliesslich hat er sein Studium 1981 begonnen und ist seither an der Universität geblieben.
Auch die Vereinigung akademischer Mittelbau (VAUZ) hat sich umgehört. Ihre Befragung ergab, dass knapp 28 Prozent der Teilnehmenden mit ihrem Lohn unglücklich sind. Viele von ihnen hätten mit denselben Qualifikationen ja auch gute Chancen, weit besser wegzukommen. Etwa als Lehrpersonen an Kantonsschulen. Stattdessen haben sie eine akademische Karriere eingeschlagen und müssen sich jetzt mit einem tiefen Lohn zufrieden geben.
Praktikumslogik
«Die tiefen Löhne im Mittelbau sind ein strukturelles Problem», erklärt Georg Winterberger, Co-Präsident der VAUZ. Das kommt daher: Der Mittelbau umfasst nach der neuen Ständeordnung alle Angestellten, die eine Qualifikationsstelle innehaben. Und weil es sich hier um Stellen handelt, auf denen sich die Angestellten selber weiterbilden können, sind die Arbeitsverhältnisse befristet und die Löhne niedrig. Der Titel am Ende der Weiterbildungszeit ist gewissermassen Teil des Lohns. Und mit dem Titel auch die verbesserten Chancen auf eine spätere Anstellung in der Privatwirtschaft oder an der Akademie. Genau wie bei einem Praktikum auch.
Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit liegt in der Praxis der Institute. Diese stellen Assistierende in der Regel nur Teilzeit an. Daher erhalten die Meisten nur einen Teil des eigentlich ordentlichen Salärs. Ihrer Dissertation und der Arbeit am Lehrstuhl wegen sind sie aber trotzdem täglich im Büro. «Das fühlt sich dann wie ein Vollzeitpensum an, während der Lohn Teilzeit bleibt.» Und das sei frustrierend, erzählt ein Doktorand. Die Institute könnten einen Teil der Frustration also verhindern, indem sie Personal in höheren Pensen anstellen. «Die Lohnklasse ist in der universitären Personalverordnung festgehalten. Aber über das Pensum einer Anstellung können die Institute in Absprache mit den den Angestellten entscheiden», bestätigt die Personalabteilung der Uni Zürich auf Anfrage.
Keine Zuversicht
«Wenn die Institute systematisch keine Vollzeitstellen schaffen, ist das nicht im Sinn des Systems», findet auch Schelling. Bis 1998 war es zwar verboten, Assistierende, die promovieren wollten, mehr als 66 Prozent anzustellen. Und die Arbeit an der Dissertation musste explizit in der Freizeit gemacht werden. Diese Regelung wurde aber abgeschafft, sodass Institute nun problemlos Vollzeitanstellungen vergeben können. «Damit das entsprechend umgesetzt wird, wäre auch die Personalabteilung in der Pflicht», sagt Schelling. Denn diese regelt für die Uni sämtliche Anstellungsverhältnisse. Die Personalabteilung indes sieht das anders: «Es ist Sache der Institute, ihr Personal nach Bedarf anzustellen», heisst es da.
Es scheint sich niemand dazu berufen zu fühlen, die Lohnsituation der Assistierenden zu verbessern. Entsprechend wenig zuversichtlich ist Georg Winterberger: «Die VAUZ gibt es jetzt seit genau 50 Jahren. Aber dass sich lohnmässig viel verändern wird in den nächsten 50 Jahren, bezweifle ich.» Dem Mittelbaupersonal der Uni Zürich ist demnach in absehbarer Zeit nicht zu helfen. Es tut weiter seine Arbeit, ohne die die Uni wohl keine zwei Tage bestehen könnte. Denn Assistierende arbeiten nicht nur in der Lehre, sondern auch in Forschungsgruppen und in der Administration der Lehrstühle.
Glückssache Karriere
Der Lohn nicht das einzige Problem im Mittelbau. Auch mit der Karriere, der die Qualifikationszeit schliesslich dienen soll, ist es nicht leicht. Im Extremfall dauert die Qualifikationszeit an der Uni nämlich 15 Jahre. Das ist die längste Zeit, die Angehörige des Mittelbaus auf Doc- und Postdoc-Ebene an der Uni verbringen können. Das Doktorat kann höchstens auf sechs, die Postdoc-Phase maximal auf neun Jahre verlängert werden. Das hat zur Folge, dass Personen unter Umständen eine kleine Ewigkeit zu tiefem Lohn arbeiten müssen. Und dann erst recht ein Problem haben.
Denn auch exzellente Qualifikationen bedeuten keine sichere Zukunft. Und da es, wie Georg Winterberger weiss, mehr Postdoc-Stellen als Professuren gibt, ist die Gefahr, bei der Arbeitslosenkasse zu landen, sehr gross: Viele sind am Ende ihrer Qualifikationszeit schon über 40. «Da wird es dann enorm schwierig, ausserhalb der Uni etwas Passendes zu finden», so Winterberger. Und innerhalb der Akademie ist es mehrheitlich vom Zufall abhängig, ob gerade irgendwo eine entsprechende Stelle frei ist. So geht die Praktikumslogik auch an der Uni nicht auf. ◊