Indonesien - Kanada - Schweiz
Wegen der Orang-Utans kam Steven Haywards in die Schweiz. In Zürich macht der Kanadier seinen Biologie-Master und kämpft mit der Sprache.
Etwas merkwürdig findet Steven Haywards es schon, dass einige Schweizerinnen und Schweizer täglich auf die Minute planen, wann sie ihr Haus verlassen müssen, um das richtige Tram zu erwischen. Der Kanadier macht seinen Master in Biologie an der Universität Zürich und hat sich noch nicht ganz an die schweizerische Pünktlichkeit gewöhnt. Abgesehen davon entsprechen die Menschen hierzulande aber kaum den Klischees, von denen er gehört hat. Anstatt als kalt und distanziert erlebe er die Leute hier hilfsbereit und freundlich. Er sei sogar auf der Stras-se auf sein bedrucktes T-Shirt mit dem Motiv einer Schweizer Umweltorganisation angesprochen worden, was wohl auch Zürcherinnen und Zürchern selten passiert.
Keine Deutschkenntnisse nötig
Als englischsprachiger Student kommt er gut ohne Deutsch aus, da an der Universität fast jeder Englisch spricht. Was den Nachteil hat, dass Haywards’ Deutsch nach seiner eigenen Aussage auch nach einem Jahr in der Schweiz gerade mal zum Einkaufen reicht. «Man gewöhnt sich daran, dass dauernd an einem vorbeigesprochen wird. Entweder man versucht mit grosser Anstrengung seine limitierten Deutschkenntnisse einzusetzen, oder man hört einfach auf, zuzuhören.» Da er ohnehin die meiste Zeit in seinem Institut verbringt, und sich dort gut verständigen kann, hat er sich offensichtlich für letztere Variante entschieden.
Orang-Utans und hohe Preise
Der Grund, wieso Haywards nach Zürich gekommen ist, ist aber auch nicht der Wunsch nach einer neuen kulturellen Erfahrung, sondern der Ruf des Instituts für Anthropologie der Universität Zürich. Dieses ist weltbekannt für sein Orang-Utan-Projekt auf der indonesischen Insel Sumatra, das durch den Direktor des Instituts, Professor van Schaik, unterstützt wird.
Dass Haywards sich so gut auf diesem Gebiet auskennt, könnte auch daran liegen, dass er einen Teil seiner Kindheit in einem kleinen Dorf in Indonesien verbrachte. Dadurch trat er schon früh in Kontakt mit der indigenen Bevölkerung, was er als grosse Bereicherung empfand. Trotz Interesse an anderen Kulturen hat Haywards aber bisher wenig von der Schweiz gesehen, da die hohen Preise kaum längere Reisen zulassen.
Schmerzliche Sehnsucht
Der Master in Biologie an der Uni Zürich beinhaltet ein Jahr Masterarbeit und nur wenige Vorlesungen, was auch das Kennenlernen von anderen Studierenden nicht so einfach macht. Zwar versteht sich Haywards gut mit den anderen Angehörigen des Instituts wie Doktorierenden und Postdocs, und sie unternehmen auch in der Freizeit regelmässig gemeinsame Ausflüge, aber auf Studierende trifft er dort kaum. Verzichten muss er auf den Kontakt zu Gleichaltrigen trotzdem nicht, davon bekommt er in seiner Wohngemeinschaft bei der WOKO mit sieben Mitbewohnern genug. Ausserdem sind die Vorlesungen im Masterstudium der Biologie an der Uni Zürich in Blockkurse von dreieinhalb Wochen mit täglichen Vorlesungen und Praktika gegliedert. Das verlangt teilweise eine enge Zusammenarbeit der Studierenden untereinander, was Haywards sehr begrüsst.
In puncto Inhalt und Schwierigkeitsgrad findet Haywards die Vorlesungen vergleichbar mit denen an der Universität Calgary. Die Sportkurse im ASVZ sind hingegen eine grössere Herausforderung: Fast alle Lektionen finden auf Deutsch statt. Sehnsuchtsvoll erinnert sich Haywards an die Eishockeyfelder, die in Kanada in jedem Dorf zu finden sind. Diese vermisst er hier: «In der Schweiz wird es einfach nie richtig kalt», meint Haywards bedauernd.
Eine weitere schmerzhafte Entbehrung seien die Kartoffelchips: «Die Chips in Nordamerika sind denen in der Schweiz ganz klar überlegen», sagt er ohne Zweifel. Generell sei die Esskultur zuhause in Kanada anders, man wünsche sich jedenfalls nicht dauernd «En Guete». Dafür schätzt Haywards die Freiheit, nach Feierabend mit Bekannten auch draussen anstossen zu können, denn in Kanada darf man in der Öffentlichkeit keinen Alkohol trinken. Ausserdem hat Haywards kürzlich die Vorzüge des Radfahrens entdeckt und fühlt sich dadurch nun richtig schweizerisch. Ohnehin lasse es sich in dieser Stadt mit ihrer jahrhundertealten Geschichte, den Parks und natürlich dem Zürichsee sehr gut leben. Trotz überpünktlicher Menschen und ungeniessbarer Chips. ◊