Das VSUZH-Präsidium: Lukas Buser (kriPo) und Polina Pokrovskaya (filo). Oliver Camenzind

«Politik ist zu wenig sichtbar»

Wieso der VSUZH ein Minus budgetiert und es dem Rat an Disziplin fehlt. Das Präsidium gibt Auskunft.

4. Dezember 2017

Polina und Lukas, ihr stellt das neunte Co-Präsidium in vier Jahren. Ist dieser Job derart unerträglich?

Polina: Ich mache diesen Job sehr gerne. Was ich vermisse, ist die Regelmässigkeit in meinem Leben. Die hat man als VSUZH-Co-Präsidentin definitiv nicht. Man ist überall und nirgends. Man muss alles spontan machen. Die Freizeit leidet.

Lukas: Ich habe noch nie etwas so gerne gemacht wie dieses Co-Präsidium. Allerdings ist damit auch ein riesiger Druck verbunden. An ein regelmässiges Studieren ist nicht mehr zu denken, faktisch unterbrechen wir unser Studium.

Wie lange habt ihr vor, zu bleiben?

L: Ich bin jetzt seit fünf Monaten im Amt. Ein weiteres Jahr kann ich mir absolut vorstellen.

P: Ich bleibe auch sicher noch ein Jahr. Was man immer noch mit einberechnen muss, ist die Einführung des neuen Präsidiums. Das nimmt auch Zeit in Anspruch.

Ihr vertretet den VSUZH nach aussen. Habt ihr vor allem eine repräsentative Funktion?

L: Oft ist es wahnsinnig spannende Arbeit. Etwa wenn es darum geht, den VSUZH vorzustellen, sich mit dem Rektor oder der Unileitung auszutauschen, Lobbying zu betreiben. Auf der anderen Seite hockst du dann wieder stundenlang im Büro und machst, sagen wir mal, etwas banalere Sachen. Unsere Aufgaben sind also nicht nur repräsentativ. Das hängt natürlich damit zusammen, dass wir die einzigen sind, die de facto im 100 Prozent Pensum arbeiten – auch wenn das nicht im offiziellen Stellenbeschrieb steht.

Und wo wollt ihr mit dem VSUZH hin?

L: Wir wollen uns mehr in die kantonale und universitäre Politik einbringen. Langfristig gesehen verfolgen wir ein stärkeres institutionelles Mitspracherecht an der Uni. Um ein spezifisches Projekt anzusprechen: Wir setzen uns für ein Studierendenzentrum nach Vorbild des Stuz2 auf dem zuküftigen Campus Wässerwies ein.

P: Auch wollen wir unsere Kommunikation verbessern. Dazu haben wir ganz neu eine Stelle für die externe Kommunikation ausgeschrieben.

Fast 20 Prozent des Budgets entfallen auf die Entschädigung des Vorstands. Ist das nicht zu viel? Zum Beispiel leisten Fachvereine ähnlich zeitintensive und wichtige Arbeit. Ohne Lohn. Zudem habt ihr ein Minus budgetiert.

L: Ich würde nicht sagen, dass es zu hoch ist. Sicher leisten die Leute in den Fachvereinen und den studentischen Organisationen wahnsinnig gute Arbeit. Ich glaube aber nicht, dass es in allen Aspekten vergleichbar ist. Polina und ich investieren all unsere Zeit in den VSUZH. So etwas wie ein Nebenjob liegt da schlicht nicht drin. Auch wir müssen Essen kaufen.

P: Wäre das Präsidium ehrenamtlich, wäre es wahrscheinlich schwieriger, Leute zu finden, die sich das antun wollen.

Auch die Veranstaltungen sind teuer. Allein eure Vorstandsretraite hat 3000 Franken gekostet. Ihr lasst es euch schon gut gehen.

P: Alle Ausgaben für Veranstaltungen beruhen auf Ratsbeschlüssen. Man darf auch nicht vergessen: Das sind Budgetposten, die für die Studierenden eingesetzt werden. Bei der Retraite ist es so, dass der Vorstand zwei Tage lang durcharbeitet. Das sind unsere besten Arbeitstage.

Auch die ZS macht jedes Jahr eine zweitägige Retraite. Dieses Jahr hat sie 200 Franken gekostet.

L: Natürlich ist es denkbar, die Retraite künftig tiefer zu budgetieren. Das Budget für nächstes Jahr ist jetzt nun mal verabschiedet.

Oft wird kritisiert, der VSUZH verkomme zum Dienstleister.

L: Das ist keinesfalls so. Der VSUZH hat zwei Standbeine: Politik und Dienstleistung. Dienstleistungen des VSUZH sind gut sichtbar – und wichtig. Anhand von ihnen sehen Studierende, dass wir ihre Mitgliederbeiträge zu ihrem Wohl einsetzen. Das ist das Problem mit der Politik: Sie ist weniger gut sichtbar. Obwohl der Grossteil unserer Zeit genau dorthin fliesst.

P: Der halbe Vorstand sitzt in der bildungspolitischen Kommission. Wir sind in der Hochschulpolitik laufend am Ball. Nur sieht man das nach aussen hin weniger. Deshalb auch die Idee mit der verbesserten Kommunikation: Wir müssen den Studierenden klar machen, wie sehr wir uns politisch für sie einsetzen.

Eines der grössten Projekte des VSUZH war der Aufbau der Studibar. Kein halbes Jahr später hat der Frauenverein (zfv) die Leitung übernommen. Eine Niederlage auf der ganzen Linie.

L: Nein, überhaupt nicht. Wir haben einen sehr guten Deal mit dem Frauenverein ausgehandelt: Der VSUZH trägt kein finanzielles Risiko. Es ist richtig, dass das Organisatorische und Finanzielle mittlerweile über den Frauenverein läuft. Doch die Fachvereine können die Bar immer noch für ihre Zwecke nutzen – sogar mit Gewinnbeteiligung!

P: Die Übernahme durch den Frauenverein war ein Schritt hin zur Professionalisierung der Studibar. So stellen wir sicher, dass sie weiterbestehen kann, unabhängig von der starken Fluktuation beim VSUZH.

Eine wissenschaftlich kaum verwertbare Umfrage des VSUZH hat gezeigt, dass die Studis gegenüber «Bologna 2020» skeptisch sind. Wie wollt ihr Einfluss nehmen auf die Umsetzung?

P: Das Thema ist immer präsent – sei es an Fachvereinskonferenzen oder in der Bildungskommission des VSUZH. Es ist schlicht falsch, zu sagen, dass es beim VSUZH weg vom Tisch sei.

L: Die Umsetzung der Reform findet hauptsächlich in den Fakultäten statt. Daher sehen wir unsere Rolle vor allem unterstützend bei den Fachvereinen: Sie mit Informationen zu versorgen und versuchen, sie untereinander zu vernetzen. Es geht darum, direkt in den Fakultätsversammlungen, wo die Umsetzung ausgearbeitet wird, Einfluss zu nehmen.

Der VSUZH hat Einsitz in wichtigen universitären Gremien. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass es euch nur selten gelingt, die studentischen Interessen einzubringen. Wieso?

L: Ein Problem ist, dass wir in den universitären Gremien oft nur ein oder zwei Vertreter oder Vertreterinnen stellen. Unsere institutionelle Mitsprache ist daher relativ schwach. Wie erfolgreich wir in der Hochschulpolitik sind, hängt oft davon ab, wie gut wir argumentieren und lobbyieren. Auf diese Weise erzielen wir auch immer wieder Erfolge.

In diesem Jahr kamen im Schnitt nur 71 Prozent der Abgeordneten an die Ratssitzungen. Wie kann diese Anwesenheitsdisziplin verbessert werden?

P: Das Problem ist uns bewusst. Wir haben kürzlich die Geschäftsordnung revidiert, sodass Abgeordnete ihr Stimmrecht vorübergehend verlieren, wenn sie mehrmals unentschuldigt fehlen.

L: Ein möglicher Grund für das viele Fernbleiben könnte sein, dass die Sitzungen sehr lange dauern. Viele haben das Gefühl, man diskutiere ewig, ohne damit etwas zu erreichen. Aber das stimmt nicht. Trotzdem versuchen wir, die Sitzung in Zukunft effizienter zu gestalten.

Also bitte: Dass Sitzungen anstrengend sind, sollte man wissen, wenn man sich für den Rat aufstellen lässt.

L: Das hängt auch wieder damit zusammen, dass unter den Studierenden zu wenig bekannt ist, welch wichtige Arbeit der VSUZH leistet. Dass viele Leute, die das Pflichtbewusstsein hätten, sich im Rat zu engagieren, gar keine Kenntnis von ihm haben.

Wenn der Rat regelmässig seine Beschlussfähigkeit verliert, werden doch dadurch viele wichtige Themen vertagt.

P: Mit dem neuen Rat, der seit diesem Jahr gewählt ist, sind wir bei einer Anwesenheitsquote von 88 Prozent. An der konstituierenden Sitzung im August sind wir zum Beispiel mit den Traktanden gut durchgekommen.

Letzte Frage: Was geht euch beim Stichwort «ZS» durch den Kopf?

P: Ich habe die ZS vor dem VSUZH gekannt. Das zeigt doch, welchen Stellenwert sie hat. ◊