Talk im Schauspielhaus
Im Schauspielhaus Zürich wird nicht nur Theater gespielt. Im Rahmen der Reihe «Zürcher Gespräche» diskutierte Lukas Bärfuss mit dem ehemaligen Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand.
Wo diskutierten eigentlich die Menschen öffentlich, bevor es Talk-Shows im Fernsehen gab? Zum Beispiel im Theater. Auch das Schauspielhaus Zürich hat eine Tradition des Dialoges auf der Bühne. In einer neuen Reihe namens «Zürcher Gespräche» sind Unterhaltungen mit dem Autor Lukas Bärfuss, der Publizistin Miriam Meckel sowie dem Journalisten und Literaturkritiker Stefan Zweifel geplant. Sowohl unter der Leitung Bärfuss’ als auch Zweifels wurden in vergangenen Spielzeiten bereits Dialoge im Schauspielhaus geführt, in den Formaten «Lukas Bärfuss trifft…» und «Zweifels Zwiegespräche». Neu im Bunde ist jetzt auch Miriam Meckel. Geplant ist monatlich ein Gespräch, wobei sich die drei Gastgeber abwechseln werden.
Gespräch im Zentrum
Den Startschuss gab letzte Woche Lukas Bärfuss, der den ehemaligen Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand auf die Bühne des Pfauens lud. Deren schlichte Ausstattung – zwei Stühle, ein Tischchen und eine Karaffe gefüllt mit Wasser – liess schon erahnen, dass an jenem Abend kein Einsatz von multimedialen Einschüben geplant war, wie man es sich mittlerweile von Talk-Shows und Diskussionsrunden im Fernsehen gewohnt ist. Im Zentrum sollte ganz das unspektakuläre Gespräch stehen.
Noch vor der ersten Frage schildert Bärfuss, unter welchen Umständen er von der weitreichenden Entscheidung der Nationalbank 2015 erfahren hatte, den noch unter dem Vorsitz Hildebrands eingeführten Euromindestkurs aufzuheben. Gekonnt spielt er als in der EU freischaffender Künstler die Karte des vom starken Franken Betroffenen und versteht es so, von Anfang an eine Spannung zu erzeugen, die er durch das lange Auslassen des Themas aufrecht erhält. In diesem Punkt wird manch einer der angereisten Geschäftsmänner auf seiner Seite gewesen sein. Bärfuss beweist aber auch die bei dem omnipräsenten Berner überraschende Fähigkeit, sich zurückhalten zu können. Seine Fragen sind zwar stets überlegt und pointiert, jedoch nie so formuliert, dass sie der Brillanz einer guten Antwort würden konkurrieren wollen.
Bärfuss zu harmlos?
Entsprechend räumt er Hildebrand stets die Zeit ein, seine Antworten auch anhand gesammelter Erfahrungen aus vergangenen Finanzzeiten auszuführen. Dann sind von den billigen Plätzen aus jeweils einige über dem Anzugskragen nickende Glatzen im Saal zu sehen. So erhält das Publikum nicht nur Antworten des Finanzexperten auf konkrete Fragen rund um Geld und Weltwirtschaft, wie zum Beispiel die eingangs schon erwähnte Frage: «Was bringt uns eigentlich der Franken noch?». Sondern es erfährt von Hildebrand auch einiges Wissenswertes, das eher der Trivia zuzuordnen ist. Fast schon könnte man Bärfuss vorwerfen, zu harmlos gewesen zu sein. Kritik übt er nur im Allgemeinen, gegenüber den Banken und dem System, was im vorgebrachten Rahmen der Ironie nicht entbirgt. Gegenüber der Person Hildebrands jedoch bleibt er erstaunlich zahm. So umschifft er zum Beispiel gekonnt die Klippe der Affäre um die umstrittenen Devisenkäufe Frau Hildebrands, die schliesslich zum Rücktritt des Nationalbankpräsidenten führte.
Willkommene Abwechslung
Wer genug Sitzleder hat um auch ausserhalb der Vorlesungszeiten einem Gespräch zuzuhören, dem bietet sich im Schauspielhaus Gelegenheit. Die verlangsamte Form bietet eine willkommene Abwechslung zu hektischen Diskussionsrunden und Talk-Shows. Als nächstes wird der österreichische Schriftsteller Robert Menasse – übrigens Mitbegründer der Wiener Studentenzeitschrift «Zentralorgan herumstreunender Germanisten» - am 1. November zu Gast bei Stefan Zweifel sein. Wir sind gespannt!