Hexenjagd am Irchel
Was tun, wenn ausgerechnet die Tochter des Dorfpfarrers vom Teufel besessen scheint? Pünktlich zum Unglückstag feiert am Freitag, den 13.10 «Hexenjagd» von Arthur Miller auf dem Irchel Premiere.
Sie wollten nur ein bisschen tanzen im Wald – und schon fällt Pfarrerstochter Betty Parris (Nathalie Meyer) aus unerfindlichen Gründen in Ohnmacht. Auch wenn ihre Freundinnen (Marie Kappen, Irina Siminichina, Yuliya Solodovnykova, Leandra Willi u.a.) beteuern, dass nichts weiter bei der Sache ist; die Dorfbewohner sind sich rasch einig, dass hier schwarze Magie und Hexerei im Spiel sein müssen. Und siehe da: Kaum erhalten sie die Chance, den Schlamassel auf andere abzuschieben, fällt den aufsässigen Teenagern plötzlich ein, dass sie auch Frösche geküsst, Suppe in einem grossen Kessel gekocht und nebenher mit den Toten Kontakt aufgenommen haben.
Kommunisten des 17. Jahrhunderts
Arthur Millers Stück «Hexenjagd» wurde 1953 veröffentlicht, zeigt aber ein kleines, amerikanisches Städtchen im Jahr 1692. Ein harmloser Ausbruch aus dem Alltag endet für einige Mädchen in einem Fiasko – schnell wissen sie selbst nicht mehr, was nun im Wald passiert ist und was nicht. In kindlichem Leichtsinn scheint aber alles besser zu sein, als sich selbst zu jedweder Schuld zu bekennen. Und so wird ein Dorfbewohner nach dem andern beschuldigt, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben. Und in der Blindheit der Unvernunft vergisst ein jeder, was er über den anderen zu wissen glaubte; und treue Freunde und ehrliche Arbeiter werden ohne nachzufragen eingesperrt und verurteilt.
Die Parallelen zur Kommunisten-Hatz der Nachkriegszeit ist in Millers Drama genau so offensichtlich wie eingängig: Es spielt keine Rolle, was geschehen ist, was erfunden wurde und was unterstellt wird. Diese unverschämte Kritik macht das Stück denn auch zu einem zeitlosen Klassiker, denn es lässt sich auf viele Ebenen der Gegenwart ummünzen.
Studenten als Bauern und Richter
In ihrem diesjährigen Programm nimmt sich das Studententheater [ist das nur für Männer? Anm. d. Red.] des Dramas an. Unter der Regie von Martha Zürcher, die als Mitwirkende von Karl’s kühne Gassenschau bekannt ist, schlüpfen die Studierenden der verschiedensten Fachrichtungen in die Rollen der Dorfbewohner von Salem. Eine schwierige Aufgabe, weiss auch die Regisseurin; «für sie ist es anstrengend», sagt die professionelle Theaterschaffende am Sonntagnachmittag drei Wochen vor der Premiere, als sich abzeichnet, dass die Studierenden noch bis in die späten Abendstunden mit Proben beschäftigt sein werden.
Doch von Verzagen kann keine Rede sein. Die Laiendarstellerinnen und -darsteller, die sich dem Studententheater allesamt freiwillig widmen und auch die Ämtli wie Finanzen oder PR selbst und neben ihrem Studium ausüben, legen eine verblüffende Professionalität an den Tag: So scheut sich Benedetta Foletti als Tituba, die als Erste beschuldigt wird, mit dem Teufel unter einer Decke zu stecken, nicht, ganz und gar die Fassung zu verlieren und in einem aufgewühlten, tränenreichen Akt scheinbarer geistiger Umnachtung weitere Dorfbewohner zu verdächtigen – aus purer Angst um ihr eigenes Leben. Und Janine Schniering überzeugt als ebenso verstörte wie verschlagene Mary Warren, die nicht weiss, ob die Loyalität ihren Freundinnen gegenüber wirklich wichtiger ist als der Eid, den sie vor Gericht ablegt.
In den Hauptrollen des Bauern John Proctor und des Pastors John Hale glänzen David Schwegler und Alexander Flückiger, stets sich und den Dorfbewohnern gegenüber im Zwiespalt zwischen dem, was sie glauben und dem, was sie nicht glauben können. Denn nicht einmal der sachverständige Hale oder die tiefgläubige Alleskönnerin Rebecca Nurse (Antonia Stammbach) können Betty heilen.
Gut, böse und jenseits davon
«Hexenjagd» ist ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Menschen, die sich ihr Leben lang kannten und sich plötzlich nicht mehr über den Weg trauen. Und während sich der Konflikt zuspitzt, verschlimmern sich die Spannungen, die schon seit jeher da waren: Die Spannung zwischen armen Bauern wie Proctor oder Giles Corey (Joel Schmitz) und den reichen Grundbesitzern Putnam (Alexandra Maximova und Gregor Bachmann), das belastete Verhältnis zwischen Proctor und seiner betrogenen Ehefrau Elizabeth (Anja Hiddink), die trotz seiner Affäre mit der ehemaligen Magd Abigail (Gioia Geiler) hinter ihrem Mann steht; und der immerwiederkehrende Zweifel an allem, was gut und böse ist, und der sowohl Staatsdiener (Aline Bucher, Andy Kirk, Antonia Hartmann, Friederike Karpf), Pfarrer (Stefan Martinolli) und Richter (Alexandra Siegrist) überkommen kann.
«Hexenjagd» von Arthur Miller. Vorstellungen am 13./14./18./19./21. Oktober, immer um 20:00 (Türöffnung & Bar 19:30) im Theatersaal Irchel an der Winterthurerstrasse 190. Eintritt frei, Kollekte. http://www.stuthe.ch