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Wenig Lohn für viel studentische Arbeit

Tutorinnen und Tutoren nehmen einen tiefen Lohn auf sich, weil sie sich von ihrem Engangement gute Referenzen erhoffen.

21. September 2017

Die Universität Zürich beschäftigt Tausende Menschen in den unterschiedlichsten Bereichen. Darunter sind Hunderte Studierende. Die Möglichkeiten, sich im akademischen Apparat zu engagieren, sind vielfältig: Die Universität bietet den Studierenden von einsemestrigen Tutoraten über Hilfsassistenzstellen bis hin zu Assistenzstellen die Chance, ihre universitäre Laufbahn ins Rollen zu bringen. Doch um welchen Preis?

Tutorate, die jeweils für ein Semester ausgeschrieben sind, werden in der Regel Ende Semester mit einem Lohn von insgesamt 1‘850 Franken vergütet. Ein Tutorat kann einerseits die administrative Unterstützung einer Lehrveranstaltung bedeuten, etwa Scannen, Kopieren und Recherchieren. Andererseits unterstützen Tutorinnen und Tutoren andere Studierende bei der vertieften Auseinandersetzung mit dem Vorlesungsstoff in Tutoratssitzungen. Da spricht man aber von studentischen oder freien Tutoraten.

Gute Einstiegsmöglichkeiten

Für beide Tutoratsformen wird von den Studierenden ein maximales Arbeits-pensum von 90 Stunden während der Vorlesungszeit eines Semesters verlangt. Bei einer Vollzeitstelle entspräche das einem Monatslohn von circa 3‘500 Franken. Das ist deutlich unter dem Schweizer Durchschnittslohn, der, laut Bundesamt für Statistik, zwischen 6000 und 7000 Fanken liegt. Hinzu kommt, dass die geplanten 90 Stunden für die anfallende Arbeit meist nicht ausreichen. Bei einem Tutor lag der Stundenlohn für die geleistete Arbeit bei gerade mal 16.50 Franken, wie er berechnet hat. Denn die Überstunden werden den Angestellten nicht bezahlt, da die Entlöhnung pauschal erfolgt. Obwohl die Tutorate somit kein hohes Nebeneinkommen garantieren und viel Zeit kosten, bewerben sich jedes Semester etliche Studierende um diese Posten. Wie kommt das?

Sarah*, Tutorin am Institut für Publizistik und Kommunikation, erklärt sich dies wie folgt: «Gerade für Studierende, die sich später für eine Assistenzstelle bewerben oder sogar doktorieren möchten, ist das Tutorat eine gute Einstiegsmöglichkeit. Man erhält so die Gelegenheit, sich in seinem Institut zu profilieren, und knüpft wichtige Kontakte. Es öffnen sich einem auf diesem Weg viele Türen.» Aber auch sie räumt ein, dass sich ihre Arbeit als Tutorin in finanzieller Hinsicht kaum lohnt. Das Geld, das man dabei verdient, sei ein netter Ferienzustupf, biete aber definitv keine aureichende Lebensgrundlage, allein schon deswegen, weil der Lohn ja erst Ende Semester ausbezahlt wird, erklärt Sarah weiter.

Keine Reibereien

Für sie sei der finanzielle Aspekt aber ohnehin nebensächlich: «Durch die gute Zusammenarbeit mit den Professoren hatte ich bereits zweimal das Glück, eine Hilfsassistenzstelle zu ergattern, was für mich persönlich mehr Wert hat als ein grosser Lohn, da ich gerne nach meinem Abschluss am Institut doktorieren möchte.» Ähnlich äussern sich auch andere Tutorinnen und Tutoren: Sie sehen das Tutorat als Sprungbrett in die akademische Karriere. Dass sie hierfür Kompromisse wie Überstunden und unterdurchschnittliche Bezahlung eingehen müssen, nehmen sie in Kauf. Offensichtlich auch deswegen, weil das Netzwerk, das man sich aufbaut, und die Erfahrungen, die man gewinnt, mehr Gewicht haben als der monetäre Anreiz.

Markus*, der seit mehreren Jahren studentische Tutorate am Deutschen Seminar erteilt, sieht die Angelegenheit pragmatisch: «Ich habe das Tutorat nie hauptsächlich für das Geld gemacht, sondern um Erfahrungen in der Lehre zu sammeln. Ich möchte nach Beendigung meines Studiums Lehrer werden, und das Tutorat ist da natürlich eine gute Referenz, da ich mittlerweile sagen kann, dass ich geübt bin im Dozieren.» Negative Erfahrungen habe er kaum gemacht, meint Markus. Die Zusammenarbeit mit den Professoren und Professorinnen habe sich in den meisten Fällen als äusserst konstruktiv und produktiv erwiesen, Reibereien waren die Ausnahme. «Es ist natürlich Glückssache, ob man an faire und verständnisvolle Vorgesetzte gerät. In all den Tutoraten, die ich in den vergangenen Jahren erteilt habe, bin ich lediglich an einen Professor geraten, für den meine Aufwand-Ertrags-Rechnung nicht aufging. Er war der Ansicht, ich könne mehr für mein Geld leisten, weshalb er mir etliche Extra-Arbeiten auferlegt hat. Ich sah die Sache aber nicht so eng.»

Nur für finanziell Abgesicherte

Es bleibt Studierenden wie Markus und Sarah wohl auch nichts anderes übrig, als ihre Vorstellungen von Lohn und Arbeitszeiten jenen der Institute anzupassen, um sich im universitären Betrieb zu bewähren. Schliesslich winkt die Aussicht, nicht nur eine Hilfsassistenzstelle, sondern auch eine Assistenzstelle zu ergattern. Viele studentische Stellen werden nämlich nicht bloss auf dem üblichen Weg mittels Bewerbungsverfahren besetzt, sondern durch persönliche Empfehlungen von Professorinnen und Professoren, was ein gewisses Ehrgefühl mit sich bringt. Laura* wurde ebendiese Ehre zuteil. Sie hat als Tutorin an einem Institut der Philosophischen Fakultät begonnen, erhielt das Angebot für die Stelle als Hilfsassistentin, welches sie wahrnahm, und tritt nun demnächst die Qualifikationsstelle als Assistentin an. Sie empfindet das als Privileg: «Mir ist bewusst, dass von uns studentischen Mitarbeitenden viel verlangt wird und die Bezahlung anfangs nicht überragend ist, aber ich empfinde es als Wertschätzung, dass mir auf meinem akademischen Weg von meinen vorgesetzten Professorinnen und Professoren das Vertrauen entgegengebracht wurde und sie mich für diese Anstellung ausgesucht haben.»

Studierende, welche sich an der Universität um eine Stelle bemühen, scheinen in erster Linie akademische Ambitionen zu haben. Erfahrung, Vernetzung, Prestige und die Aussicht auf ein Doktorat vermögen das finanzielle Defizit zu kompensieren. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die akademische Karriere dadurch nur Studierenden vorbehalten ist, die über anderweitige finanzielle Mittel verfügen. Das Arbeiten an der Universität verkommt zum Privileg und scheint unerreichbar für all diejenigen, die ihren Lebensunterhalt eigenständig verdienen müssen. Von fairen Arbeitsbedingungen oder Chancengleichheit kann nicht die Rede sein! ◊