Toni und die Studierenden
Kommentar — Die Philosophie der ZHdK ist ein Versprechen in alle Richtungen, das die Hochschule leider nicht halten kann. Ein Kommentar.
Die weisse Farbe der Ausstellungspodeste ist noch frisch. Darauf präsentiert sich ein Sammelsurium von Objekten, die über Monate hinweg konzipiert worden waren. Daneben stehen die «Designer von morgen», die auf die wohlige Aufregung eines abgeschlossenen Studiums und der leisen Ahnung von Zukunft ihr viertes Glas Prosecco trinken. Unzählige Schaulustige kommen an diesen Tagen an die Zürcher Hochschule der Künste – ein Sehen und Gesehenwerden an der jährlichen Diplomausstellung.
«Toni-Areal», das klingt wie ein Versprechen von allzeit abrufbarer Kreativität, das die Hochschulleitung an die Stadt Zürich und die Dozierenden an die Studierenden abgeben. Sind die Ausbildungen mit wohlklingenden Namen wie «Interaction Design» oder «Scientific Visualization» erst einmal durchlaufen, warten in der Zukunft grossräumige Ateliers, wo sich Arbeit und Privatleben harmonisch vermischen; Selbstständigkeit und vielleicht die Erfüllung des Wunsches nach etwas Grösserem. Dass sich das einmal wie Arbeit anfühlen soll, liegt fern.
Keine Romantik
Dennoch – wo zuvor die romantische Idee vom eigenen Start-up war, fokussiert sich der Alltag des Studiums hauptsächlich darauf, die Balance zwischen durchgetakteten Modulen und freier Projektarbeit zu halten. Natürlich sind die angehenden Gestalterinnen und Gestalter jung und dynamisch. Nächtelang im Klassenatelier auf den Bildschirm zu starren, hat jedoch wenig mit Romantik zu tun. Entschliesst man sich, zu später mal den Kopf zu heben, wird der müde Blick hinter einem leuchtenden Apfel erwidert. Alleine ist man selten – die Art der Nutzung des Ateliers gestaltet sich jedoch so divers wie die verschiedenen Persönlichkeiten, die dort Jahr für Jahr ein- und ausgehen. Man könnte meinen, dass sich in diesem Konstrukt der Nähe das interdisziplinäre Arbeiten wie von selbst ergibt. Das ist die grosse Vision des Toni-Areals: ein einziges Miteinander. In der Realität bleibt das Inseldenken bestehen und die Fachrichtungen bleiben unter sich. Das Gefüge, das dabei entsteht, erinnert immer wieder an die Verhältnisse einer skurril zusammengewürfelten Familie. Und dass man mit der Verwandtschaft Mühe hat, zu kommunizieren, ist geläufig. Dozierende, Assistierende und Studierende trennt regelmässig nicht mehr als ein Bildschirm, eine Werkbank oder ein Zeichenpult.
Unklare Verhältnisse
Schlussendlich bleiben die Rollen zwischen Lehrenden und Lernenden klar verteilt und die Beschwerden über das System «ZHdK» eine Sache des guten Tons. Ist dies der einzige Weg, innerhalb dieses wuselnden Organismus eine funktionierende Struktur aufrecht-zuerhalten? Eine Struktur, die sich auf sämtlichen Ebenen der Hochschule wiederfindet. Eine Struktur, die der Idee des «Miteinander» nicht nachkommt und wegen der sich die Menschen an der ZHdK sich über kurz oder lang in der Rolle des Einzelkämpfers wiederfinden.
Der Umgang mit Freiraum; was relevant ist und welche Entwicklungsrichtungen vorgegeben werden, das sind unsere Differenzen mit dem Curriculum und der Philosophie dieser Hochschule. Alternative haben wir noch keine gefunden.Trotzdem wissen wir, dass wir kommendes Jahr an der Diplomausstellung neben unseren Arbeiten stehen werden. Die Erinnerungen der letzten Monate weichen einer Mischung aus Freude und Überwältigung. Was bleiben wird, ist der Rausch des Alkohols der Diplomvernissage. ◊