«Die Idee ist zweitrangig»
Eine Vielzahl von Stiftungen buhlt um die Aufmerksamkeit von Jungunternehmenden. Denn wer heute ein Startup gründen will, braucht vor allem eines: viel Geld.
Eine umfunktionierte Garage. Darin Computer, Kabel, allerlei technische Gerätschaften. Davor junge Menschen mit zerzaustem Haar und Augenringen, die unter Hochdruck irgendwas an ihren Computern werkeln, was für Aussenstehende nur schwer verständlich ist. Ausgelaugt, getrieben von einer Idee: So ungefähr das typische Klischee eines Startups. Doch wieviel hat dieses Klischee heute noch mit der Realität zu tun?
Aus der Garage zum Weltmarktführer
Wenn man über Start-ups spricht, sieht man sich schnell mit einem Problem konfrontiert: Niemand hält eine allgemeingültige Definition bereit, was das Start-up als Unternehmensform sei. Sehr oft fällt der Begriff der Innovation: Ein Start-up muss etwas noch nie Dagewesenes sein, am besten sogar einen neuen Markt erschliessen. Auch sollte ein Start-up schnell wachsen – und im Idealfall möglichst gewinnbringend verkauft werden. Gründen nur Studierende Startups? Wieviel Umsatz muss ein Start-up mindestens erzielen, dass es als Start-up durchgeht? Kann auch ein KMU ein Start-up sein? Darüber herrscht weitgehend Unklarheit.
Sicher ist: Das verklärte Bild von Start-ups rührt aus deren Gründungszeit. Denn Start-ups sind – sowohl als Begriff als auch als Unternehmenstyp an sich – eine sehr neuartige Erscheinung. Der Oxford Dictionary verzeichnet den englischen Ausdruck «Start-up» im Sinne von «neugegründetes Unternehmen» das erste Mal 1975. In diese Zeit fällt die Entstehung erster Informatikfirmen, die aus dem Nichts eine gesamte neue Branche begründeten. Stichwort Apple, Stichwort Steve Jobs: Zusammen mit Steve Wozniak gründete dieser ein Start-up, das heute längst keines mehr ist. Apples Startkapital: 1400 Dollar. Heutiger Marktwert: 576 Milliarden Dollar. Natürlich ist Apple eine Ausnahmeerscheinung. Aber doch lässt sich die Frage stellen, ob ein Start-up auch heute noch mit derart wenig Anschubfinanzierung durchstarten kann. Konkret: Was braucht es, um in der Schweiz mit einem Start-up erfolgreich zu sein?
Gezielte Förderung
Der Pionierzeit folgte in den 90er-Jahren der grosse Boom der Internetstartups. Berühmtestes Beispiel hier: Google. Beide, Generation Apple und Generation Google, sind Startup-Kinder des Silicon Valleys. Die gesamte Startupszene wird bis heute vom kalifornischen Hochleistungsmotor angetrieben.
Heute buhlt eine Vielzahl von Stiftungen und Organisationen um Studierende, die ein Start-up gründen wollen. Eines der bekanntesten davon ist «venturekick», das alleine im Jahr 2016 mehrere Dutzend Start-ups in den unterschiedlichsten Bereichen, von Biotech über Informatik bis hin zur Agronomie, finanziell unterstützt hat. Dabei hat es sich venturekick zum Ziel gesetzt, die geförderten Start-ups möglichst eng zu betreuen. In einem Dreiphasenmodell wird ihnen stetig Geld eingespritzt. Die Hoffnung dabei: Unter den Fittichen von venturekick soll den Start-ups ein möglichst geschützter Rahmen geboten werden, in welchem sie langsam aufgehen können.
Der Förderungsplan von venturekick zeigt: Am Anfang eines Start-ups mag eine gute Idee stehen. Weitaus wichtiger ist allerdings die Finanzierung dieser Idee. Das müssen viele Start-ups schmerzhaft am eigenen Leib erfahren: Der «Swiss Start-up Monitor», der den Erfolg, aber auch das Scheitern von Start-ups untersucht, listet Geldprobleme an erster Stelle, wenn es darum geht, wieso Start-ups scheitern.
Zu vorsichtig
Dieser Geldmangel wirkt sich direkt auf die Nachhaltigkeit von Schweizer Start-ups aus. So sind nur rund die Hälfte auch fünf Jahre nach ihrer Gründung noch aktiv.
Nicolas Berg ist selbst Gründer von zwölf Start-ups und mittlerweile auch als Investor tätig. Er ist trotzdem überzeugt, dass man in der Schweiz mit Start-ups erfolgreich sein könne: «Die Erfolgsquote ist erstaunlich hoch. Die Chance, mit einem Start-up erfolgreich zu sein ist höher als etwa jene, Konzertpianist zu werden», meint er fast lakonisch. Bloss fehle vielen Start-ups gerade in der Anfangsphase das Geld. Zurückzuführen sei das auf die mangelnde Risikobereitschaft: «In der Schweiz ist man sowohl auf der Gründer- als auch auf der Investorenseite viel zu vorsichtig.» Diese Vorsicht rühre vor allem daher, dass in der Schweiz die Infrastruktur für grosse Investitionen schlicht fehle. «Es gibt wenige Inseln wie die ETH, die auch fähig sind, internationale Talente und Investoren anzulocken« Das sei schade, denn: «Die wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten wären eigentlich gegeben.»
Idee allein genügt nicht
Dariush Daftarian war Mitgründer des Start-ups «Trekksoft» und hat mit diesem bis nach New York expandiert. Heute ist er Berater und hat als solcher schon ein gutes Dutzend Start-ups von der Idee bis zur Markttauglichkeit begleitet. Er stimmt Berg zu, dass es in der Schweiz an Risikobereitschaft fehle. Gerade der Vergleich mit den Vereinigten Staaten sei frappant. «In den USA ist die Anzahl der Exits viel grösser als in der Schweiz.» Will heissen: Die Anzahl der Start-ups, die nach einer gewissen Zeit aufgekauft werden und in andere Hände übergehen, ist viel grös-
ser. Dadurch steigt automatisch die Bereitschaft, in neue Projekte zu investieren. Und auf der andern Seite ist bei Jungunternehmenden so der Anreiz grösser, selbst mehr zu riskieren.
Tatsächlich sei aber selten die fehlende finanzielle Unterstützung das Hauptproblem bei Startupgründungen, so Daftarian. «Natürlich kann finanzielle Förderung sinnvoll sein. Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass sich damit automatisch der Erfolg einstellt.» Viel wichtiger sei, dass sich Gründende von Start-ups bewusst seien, dass es mit der guten Idee allein noch nicht getan ist. «Die Idee ist zweitrangig. Denn eine Idee funktioniert nur dann, wenn sie markttauglich ist und eine Kundschaft anspricht.»
Selbständig machen
Daftarian befürchtet, dass es in der Schweiz in den nächsten Jahren zu massiven Arbeitsplatzverlusten kommen wird. Gerade bei grossen Firmen werde es zu Entlassungen im grossen Stil kommen. «Studierenden kann ich nur raten, sich kleiner zu orientieren und selbstständig zu machen. Man muss die kleinen Unternehmensstrukturen kennen, um erfolgreich zu sein!»
Der Streifzug durch die Schweizer Startupszene zeigt: Die Vorstellung ist naiv, dass für die Gründung und vor allem für den Erfolg eines Start-ups die gute Idee allein genüge. Sie steht ganz am Anfang eines langen Prozesses. Aber erst, wer die Idee auch markttauglich umzusetzen weiss, hat Chancen auf Erfolg. Erst, wer es versteht, die Aufmerksamkeit von Investoren und Förderprogrammen auf sich zu ziehen, startet durch. Weg mit der Garage, her mit dem Finanzierungsplan. Start up ist zu Big Business geworden. ◊