Der Kongress «Reclaim Democracy» bot viel Theorie und wenig Konkretes. aga

Erobert die Demokratie zurück!

Wann beginnt die Mitsprache?

9. Februar 2017

An der Universität Basel fand vom 2. bis zum 4. Februar 2017 der Kongress «Reclaim Democracy» statt. Wie der Name bereits antönt, handelte es sich hierbei um eine Veranstaltungsreihe, die sich mit dem breiten und vielfältigen Demokratiebegriff auf kritischer Ebene auseinanderzusetzen versucht hat.

Der dreitägige Kongress bestand aus mehreren Plenarveranstaltungen und insgesamt 50 verschiedenen Ateliers. Neben Themen wie Migration, Gender, Medien, Wirtschaft und Globalisierung, war auch Bildung ein wichtiger Aspekt, der in Bezug zur Demokratie behandelt wurde. So veranstaltete die «Kritische Politik» der Zürcher Hochschulen gemeinsam mit Angehörigen der Universität Basel sowie der Universität Lausanne ein Atelier mit dem Thema «Universität und Demokratie» und der Fragestellung: «Wie können wir die Forderungen der 68er-Bewegung aufgreifen und neu artikulieren?» Die Referierenden kritisierten die zunehmende Ökonomisierung der Universität und das Managementdenken, das die Entscheidungsprozesse der Bildungsinstitutionen zu bestimmen scheint. Sie sprachen sich für die soziale Öffnung und das Mitspracherecht aus, wie es bereits 1968 ein Thema war.

Angesichts kürzlicher Ereignisse wie der Abschaffung der kleinen Nebenfächer an der Universität Zürich oder auch der Erhöhung der Studiengebühren für Langzeitstudierende ist die kritische Auseinandersetzung mit der Bildungspolitik und der Demokratie im universitären Kontext notwendig wie eh, um sich gegen diese Fremdbestimmung als Student und Studentin wehren zu können. Mitbestimmung in der Bildung kann jedoch bereits viel früher als erst an der Universität beginnen, wie ein Atelier zur Demokratie an der Schule zeigte. Der Workshop setzte an einer philosophischen Hinterfragung der Schule als Bildungsstätte an und diskutierte das Machtverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden. Die Schule solle in erster Linie der demokratischen Selbsterziehung dienen, so das Grundpostulat des Referenten und Pädagogen Anton Hügli. Das Publikum sah sich ob so viel Kritik an der Bildungsinstitution gespalten, was jedoch die angeregte Diskussion und Aushandlung der Thematik förderte.

Der Kongress schloss am Samstagnachmittag mit einer letzten Plenarveranstaltung, zu der sich nochmals über 200 Besucher zusammenfanden. Jodi Dean, Professorin für Politikwissenschaften, hielt hierfür einen beschwingten Vortrag über die Macht der Proteste und der Massenbewegungen, untermalt von Bildern von Marx und Occupy-Bewegungen. Demgegenüber stand die Präsentation des Autors Thomas Seibert, der eine weitaus unvoreingenommenere Ausdifferenzierung der politischen Macht der Masse vornahm, was Deans prokommunistische Rede auszugleichen vermochte.

Viel Theorie, wenig Konkretes

Organisiert wurde dieser Kongress vom links orientierten «Denknetz». Ein Verein, der im Jahr 2004 gegründet wurde und gesellschaftskritische Denkerinnen und Denker aus unterschiedlichen Disziplinen und Organisationen zusammenbringt. Das «Denknetz» will «gesellschaftstheoretische und politische Grundlagenarbeit» leisten und setzt sich für universale Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität ein. Hierfür erarbeitet die Organisation unterschiedliche Reformkonzepte, wie beispielsweise das Modell für eine international koordinierte Mindestlohnpolitik und organisierte nun zum ersten Mal den Demokratie-Kongress. So viel Idealimus und Aktionismus mag auf den ersten Blick lobenswert erscheinen, jedoch stellt sich auch nach dem «Reclaim Democracy» die Frage, inwiefern diese Ideen im gesellschaftspolitischen Geschehen tatsächlich fruchten und was bloss Wunschdenken bleibt. Vor dem Hintergrund der internationalen politischen Ereignisse der vergangenen Monate wie dem Brexit oder der Wahl Donald Trumps hat die Demokratie-Thematik an unvorhersehbarer Brisanz gewonnen. Der Kongress «Reclaim Democracy» war eine willkommene Diskussions-Plattform für Kritikerinnen und Idealisten unterschiedlichen Alters und zog insgesamt 1800 Menschen an die Universität in der Rheinstadt. Bleibt zu hoffen, dass diese ihr Anliegen eines kritischeren Umgang mit demokratischen Rechten bald mehrheitsfähig machen können werden.