Abgestempelt: Kerem Schamberger, kommunistischer Doktorand.

Kommunist muss warten

In München kann ein Doktorand seit Monaten seine Stelle nicht antreten. Der Grund: seine politische Einstellung.

5. Dezember 2016

In München wird Kerem Schamberger wegen seiner politischen Einstellung am Doktorieren gehindert. Denn Schamberger ist aktives Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Weil diese nach einem alten, auf die Zeit des Kalten Krieges zurückgehenden Münchner Verfassungsschutzartikel als extremistische Organisation eingestuft wird, muss sich Schamberger einer behördlichen Überprüfung unterziehen, die entscheidet, ob er für eine Doktoratsstelle in Frage kommt. Lange musste Schamberger warten: Im Juli hat er die Unterlagen dem Verfassungsschutz eingereicht, und seitdem sind Monate verstrichen, ohne dass die Behörden sich hätten vernehmen lassen. Seine Stelle konnte er nicht, wie geplant, Anfang Oktober antreten. Für Schamberger ist klar: Dieses lange Zögern ist politisch motiviert (wie die ZS online berichtete). Jetzt kommt endlich Bewegung in die Sache. Allerdings nicht unbedingt in Schambergers Sinn.

Prüfung abgeschlossen

Mittlerweile liegt ein Schreiben des Verfassungsschutzes an die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) vor. Auch Schamberger hat Einblick in das Dokument erhalten. Brisantes scheint der Verfassungsschutz offenbar nicht herausgefunden zu haben. Schamberger sagt: «In diesem Schreiben steht nichts, was der Öffentlichkeit nicht auch ohne verfassungsschutzrechtliche Überprüfung bekannt gewesen wäre. Dass man mich dafür mehrere Monate warten lässt, finde ich lächerlich.» .

Was Schamberger weiter stört, ist die Tatsache, dass im Schreiben erwähnt werde, dass er mehrere Veranstaltungen gegen die türkische Regierung und Erdogan mitorganisiert habe. «Mir angesichts der momentanen politischen Situation in der Türkei zum Vorwurf zu machen, mich für Menschenrechte und Demokratie einzusetzen, ist für mich ein Skandal.»

Die Arbeit des Verfassungsschutzes ist jetzt beendet. Die Behörde hat ihre Erkenntnisse der Universität übermittelt. Der Ball liegt nun bei der LMU, welche der ZS mitteilt, dass sie sich zu laufenden Verfahren nicht äussern könne. Sie hat Schamberger dafür mittlerweile einen Fragebogen zugestellt. Wenn er diesen beantwortet hat, will sie einen definitiven Entscheid fällen. Nun muss sich Schamberger also auch noch von seiner Uni überprüfen lassen. Es scheint fast so, als hätte diese sich durch den Bericht des Verfassungsschutzes einschüchtern lassen.

Das Warten geht weiter

Solange Schamberger die ihm vorliegenden Dokumente nicht veröffentlicht und solange die Universität schweigt, lässt sich das langwierige Zulassungsverfahren nicht abschliessend beurteilen. Fragen wirft es aber ohnehin auf: Wieso wird der Kommunismus als extremistisch eingestuft und so auf eine Stufe mit beispielsweise der al-Qaida gestellt? Wieso braucht der Verfassungsschutz mehrere Monate, um eine Person zu überprüfen, wenn er dann offenbar doch nichts Neues herausfindet? Und wieso zeigt sich die LMU vom Bericht des Verfassungsschutzes derart beeindruckt, dass sie selbst nochmals eine Gesinnungsprüfung durchführt? Steht das einer Universität überhaupt zu?

Schamberger glaubt weiterhin daran, bald seine Stelle antreten zu können. Nicht als Kommunist. Sondern als Doktorand in den Medienwissenschaften. ◊