Knallkörper Patriotismus

Viel Lärm um Nichts: Wieso Feuerwerk einen Nationalfeiertag überhaupt erst ermöglicht.

5. Dezember 2016

Ein Zischen, ein Sausen, ein Knallen. Ein kurzes Erhellen des Nachthimmels, grelle Farbfunken, die in alle Richtungen sprühen, um nach wenigen Metern einsam zu verglühen. So schnell die Feuerwerksrakete in den Himmel gestiegen ist, so schnell ist ihr Licht auch wieder verblasst. Unten am Boden, sei es nun eine abgelegene Dorfwiese oder der eigene Garten, stehen sie, schauen gen oben, und hin und wieder entfährt ihnen ein enzücktes «Ooh». Dann zünden sie die nächste Rakete oder den nächsten Vulkan.

So oder ähnlich begehen viele Schweizerinnen und Schweizer ihren Nationalfeiertag: mit Feuerwerk. Es ist vom 1. August genauso wenig wegzudenken wie die Ansprache des Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin. Patriotismus ist Feuerwerk. Wieso eigentlich?

Bäuerliche Höhenfeuer

Dem 1. August wird immer der Makel anhaften, sich auf kein exaktes historisches Ereignis zu beziehen. Der Gründungsbrief, um den sich der bekannte Nationalmythos vom Rütlischwur rankt, datiert bloss von Anfang August. Damit nicht genug: Der Schweizer Nationalfeiertag hat nicht nur keine präzise historische Verankerung, er hat überdies auch keine Tradition.

Das erste Mal gefeiert wurde er erst 1891, exakt 600 Jahre nach der angeblichen Gründung der alten Eidgenossenschaft. Gesetzlicher Feiertag wurde er gar erst 1993 auf ein Volksbegehren der Schweizer Demokraten hin. Der 1. August genügt noch nicht, um einen nationalen Zusammenhalt zu schaffen oder den eigenen Nationalmythos glaubwürdig zu erklären. Der 1. August schafft es nur schlecht, ein patriotisches Gefühl zu vermitteln.

Zum Glück gibt es Feuerwerk: Es festigt das patriotische Gefühl und verleiht ihm einen festlichen Charakter. Feste sind laut, Feuerwerk ist es auch. Und Lärm lenkt ab. Lenkt ab davon, wie konstruiert der 1. August als Nationalfeiertag ist. Heute ist dafür vor allem pyrotechnisches Feuerwerk wie Raketen oder Vulkane verantwortlich. Früher waren es die Höhenfeuer, die in der Schweiz zur bergbäuerlichen Tradition gehören und schon seit Jahrhunderten auf Hügelkuppen und Bergwiesen entzündet werden – und dies längst nicht nur zu patriotischen Festlichkeiten. Indem sie flugs zum patriotisch-freiheitlichen Symbol umgedeutet wurden, trugen sie viel dazu bei, den 1. August als Bundesfeiertag und patriotisches Fest populär zu machen. Bis heute werden am 1. August Höhenfeuer entzündet, obwohl sie heute neben industriell gefertigtem Feuerwerk nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

Immerhin sind sie heute noch Beweise dafür, wie undenkbar der schweizerische Nationalfeiertag ohne Feuerwerk ist. Nebenbei erweitern sie den Patriotismus um das Element der Freiheit. So dichtete die NZZ am 1. August 1891, also just am ersten offiziellen Nationalfeiertag überhaupt: «Bergeszinnen stehn entzündet / Hügel flammen nah und weit / Und die Freiheit steht da droben / Übersprüht vom Funkenduft».

Patriotischer Kommerz

Heute zeigt sich in der Verknüpfung von Patriotismus und Feuerwerk vor allem eines: der Kommerz. Feuerwerk als patriotisches Konsumgut ist längst zu einem regelrechten Industriezweig geworden, der jährlich Millionen umsetzt. Ganz ähnlich wie etwa im Falle von Fussballklubs, die mit ihrem Merchandising ganz direkt den Lokalpatriotismus der Fans bedienen, schlachten Feuerwerkshersteller den 1. August konsequent finanziell aus. Einer der schweizweit grössten Hersteller, die Bugano AG, teilt auf Anfrage mit, dass zwei Drittel des Gesamtumsatzes mit dem 1. August gemacht würden. Patriotismus ist zur kapitalistischen Idee geworden, die sich mittels Feuerwerk ausgezeichnet bewirtschaften lässt.

Patriotismus ist Feuerwerk. Nicht, weil Feuerwerk nur im Rahmen patriotischer Festlichkeiten auftauchen würde. Sondern weil Feuerwerk den 1. August als patriotisches Fest erst ermöglicht. Als Böller gewordenes Lichtspektakel schafft es einen patriotischen Zusammenhalt, der leicht darüber hinwegtäuscht, was Feuerwerk eben doch bleibt: Schall und Rauch. ◊