Doktorand, kommunistisch, unerwünscht
In München wird ein Doktorand aufgrund eines alten Verfassungsschutzartikels seit Monaten am Forschen gehindert. Und das nur, weil er Kommunist ist. Wie er sich zur Wehr setzt und wie die Situation in Zürich aussieht.
Kerem Schamberger würde gerne doktorieren. Seine Universität, die renommierte Ludwig Maximilian Universität in München, würde ihn gerne doktorieren lassen. So weit, so gut. Allein: Kerem Schamberger ist Kommunist. Und muss sich als solcher einer verfassungsschutzrechtlichen Überprüfung unterziehen, die entscheidet, ob er seine Doktoratsstelle antreten darf. Schamberger hat sich gegen diese an sich schon fragwürdige Praxis nicht zur Wehr gesetzt und ein Gesuch gestellt. Das war im Juli. Von der Verfassungsschutzbehörde des Bundeslands Bayern, der die Entscheidung obliegt, hat er seitdem nichts gehört. Die Doktoratsstelle in der Kommunikationswissenschaft, die er auf Anfang Oktober hätte antreten sollen, bleibt also vorerst unbesetzt. «Das kommt de facto einem Berufsverbot gleich», sagt Schamberger. Er wisse, dass er aufgrund seines politischen Engagements in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) seit 2010 mehrere Male namentlich in Verfassungsschutzberichten genannt worden sei. Wahrscheinlich existiere sogar eine Akte zu ihm. Umso weniger Verständnis hat Schamberger für das monatelange Schweigen des Verfassungsschutzes. «Wenn man davon ausgeht, das ich dort bereits bekannt bin, sollte es doch eigentlich ein Leichtes sein für den Verfassungsschutz, eine Stellungnahme abzugeben, bevor ich meine Stelle antrete.» So ist für Schamberger klar, dass die Verzögerung bewusst und politisch motiviert sei: Der Verfassungsschutz wolle so unterstreichen, dass er die Instanz ist, die im Bundesland Bayern entscheide, wer eingestellt werde und wer nicht.
Gefährlicher Kommunismus
Der zur Diskussion stehende Verfassungsschutzartikel geht auf das Jahr 1972 zurück. Die Regierung unter Bundeskanzler Willy Brandt verabschiedete damals den sogenannten Radikalenerlass, der den Kommunismus als generell gefährlich einstufte und Menschen mit kommunistischer Gesinnung die Ausübung staatlicher Berufe verbot. In der Folge wurde über Tausende Staatsangestellte, Lehrerinnen, Postboten, Verwaltungsbeamtinnen, ein Berufsverbot verhängt. Es ist wichtig zu sehen, dass Schamberger nur die Spitze des Eisberges darstellt. Eines Eisbergs, von dem man mit dem Ende des kalten Krieges eigentlich erwarten hätte dürfen, dass er schmilzt. Doch ist er in den Bundesländern Bayern und Sachsen nach wie vor in der Verfassung festgefroren.
An der Universität Zürich existiert kein solcher Passus, der Studierende aufgrund ihrer politischen Gesinnung am Antritt einer universitären Stelle hindern könnte. In der Zulassungsordnung der Universität Zürich sei ein solcher Fall nicht vorgesehen, teilt der Rechtsdienst der Uni auf Anfrage mit.
Solidarität in Zürich
Auch Samuel Haffner, Mitglied bei den Marxistischen Studierenden Zürich, hat nicht das Gefühl, dass seine politische Gesinnung ihn im universitären Alltag behindere. «Generell haben wir von den Marxistischen Studierenden das Gefühl, dass unsere Ideen gut aufgenommen werden». Allerdings ist für ihn auch klar, dass es an der Universität nie möglich sein werde, kommunistische oder marxistische Ideale konsequent zu leben. «Gerade die Verbindung von revolutionärer Theorie und Praxis, für die die marxistischen Studierenden genau einstehen, ist für eine sich im Rahmen des Systems bewegende Institution wie die Universität utopisch». So ist es für Haffner auch nur logisch, sich mit Schamberger zu solidarisieren, dessen vorläufige Nichtzulassung er als wissenschaftlich und politisch lächerlich empfinde. Und tatsächlich ist es während der langen Nacht der Kritik zu einer Solidaritätsbekundung mit Kerem Schamberger gekommen, in welcher der Verfassungsschutzartikel aufs Schärfste kritisiert wurde.
Ball bei der Universität
Mittlerweile hat der Verfassungsschutz sich in einem Schreiben an die Universität München gewandt. Über den Inhalt dieses Schreibens ist Kerem Schamberger zwar noch nicht informiert worden. Und doch bedeutet die blosse Existenz des Schreibens für Schamberger bereits eine Erleichterung. «Durch das Publikwerden meines Falles ist der Druck auf den Verfassungsschutz, aber auch auf die LMU enorm gestiegen. Da wird man sich ganz genau überlegen, wie man mit mir weiter verfahren wird.» Der Ball liegt nun bei der Universität, das Gespräch mit Schamberger zu suchen. Er ist zuversichtlich, dass er seine Stelle in den nächsten Wochen antreten kann. Doch wäre für ihn damit nur ein Teilsieg errungen. Denn das eigentliche Problem liege im Fortbestehen des Verfassungsartikels, der pauschal alle linken und gesellschaftskritischen Studierenden benachteilige. «Das eigentliche Ziel muss die Abschaffung dieses Gesinnungsbogens sein. Dafür hat es sich auch gelohnt, mit meinem Namen einzustehen.» Damit in Zukunft auch Kommunisten und Kommunistinnen unbehelligt an der Uni forschen können.