Der Spaghettitopf ist so gross wie ein Ein-Personen-Whirlpool. Sina Jenny

Mit der grossen Kelle angerührt

Wie schafft es die Mensa, günstige Menüs zu produzieren? Und wie sieht es hinter dem Loch aus, in dem die Tabletts verschwinden?

28. Oktober 2016

Es ist zwölf Uhr, kurz nach Semesterbeginn, und die hungrigen Studierenden reihen sich bis weit vor die Schiebetüren. High Noon in der oberen und unteren Mensa im Zentrum. «Mit Gemüse?», fragt die Dame der Essensausgabe, während der Broccoli schon auf dem Teller landet. Jeden Tag, Montag bis Freitag, das ganze Semester über, wechseln wir die gleichen zwei, drei abgehackten Sätze mit dem Servicepersonal der Mensaküche: «Ja, mit Gemüse. Danke! Ja, mit Legi. Danke!»

Trotz des grossen Andrangs herrscht in der Küche weder Chaos noch Gehetze.Die grosse Arbeit ist zur Mittagszeit bereits abgeschlossen. Den ganzen Vormittag lang war vorbereitet worden. Seit elf Uhr wird das Mittagessen ausgegeben. In der Küche wird jetzt nur noch dafür gesorgt, dass bei Bedarf gleich nachgereicht werden kann. Rollwagen mit Edelstahlwannen, in denen Nachschub für die Menüs liegt, stehen vor grossen Kombi-Öfen bereit.

Im Hintergrund ist bereits die Produktion für den nächsten Tag angelaufen. Die Menüs werden dabei nicht in herkömmlichen Pfannen auf einem Herd zubereitet. Vielmehr sind die Kochstellen Wannen mit Deckel. Sie werden direkt auf bis zu 350 Grad erhitzt, und in einer davon lassen sich bequem mehrere Kilo Hackfleisch auf einmal anbraten. Überhaupt ist in dieser Küche alles überdimensioniert: Hier haben Kellen die Grösse von Paddeln. Der Kochtopf, in dem Spaghetti abgeschreckt werden, könnte problemlos auch als Ein-Personen-Whirlpool durchgehen.

Am Schluss des grossen Mittagsservices werden an diesem Tag allein für das Menü 1 über 1’300 Schnitzel mit 300 Kilogramm Teigwaren als Beilage über den Tresen gegangen sein. Das entspricht etwa einem Drittel der 4’000 Mahlzeiten, die an einem Spitzentag verkauft werden.

Ein Blick in die Küche der Mensa Zentrum:

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(Fast) nicht subventioniert

Dass diese riesigen Mengen an Mahlzeiten produziert werden, dafür ist Steffen Zack, Küchenchef der Mensa Zentrum, verantwortlich. Ihm obliegt neben der Leitung der Küche auch die ganze Menüplanung. Dabei sei oft Spontanität gefragt. Bei unserem Besuch an einem Dienstag etwa steht der Plan für die folgende Woche noch nicht fest. «Nur so bin ich in der Lage, auf kurzfristige, günstige Angebote von Lieferanten einzugehen», meint Zack.

Die Preispolitik der Uni-Mensen zwängt die Menüplanung in ein enges Korsett – bei 5 Franken 40 pro Menü kann Zack nicht wählerisch sein. Er muss aber trotzdem gute Qualität liefern und ausserdem die Vorgaben des Mutterbetriebs ZFV berücksichtigen. Etwa, dass nur Schweizer Poulet verarbeitet werden darf. Das schlägt sich im Preis nieder. Manchmal ist ein Menu teurer, mal ein Schnäppchen. Spätestens am Ende des Monats muss die Rechnung laut Zack aber zwingend aufgehen: «Sonst riskiere ich hier meinen Job».

Hinter den Küchen der Uni-Mensen steht ein Grossunternehmen mit schweizweit gut 2'500 Angestellten. 52 von ihnen bewirtschaften die beiden Mensen, den Rondell-Kiosk, die Cafeteria im Lichthof sowie die vegane Cafeteria «Rämi 59». An die heimelige Vergangenheit als «Zürcher Frauenverein», der früher günstige, alkoholfreie Restaurants in der Stadt betrieb, erinnern nur noch die drei Buchstaben, die den Firmennamen ausmachen: ZFV. Das Unternehmen erwirtschaftet als Dienstleister für die Uni am Ende des Jahres sogar einen kleinen Gewinn. Als besonders lukrativ erweisen sich Cateringaufträge für Drittkunden, die nicht zur Universität gehören: Beliefert werden Privat- und Grossanlässe, auch ausserhalb des Kantons. Christian Steinmetz, der Betriebsleiter am Zentrum, betont aber, dass ausschliesslich mündliche Propaganda für diese Anfragen verantwortlich sei. Auf aktive Werbung wird verzichtet, weil man sich im Gastrosektor nicht zu sehr etablieren will. Die Uni-Mensen des ZFV nehmen dort sowieso schon eine Sonderposition ein. Wie die Medienstelle der Uni auf Anfrage mitteilt, muss der ZFV hier keine Miete zahlen. Räume und Geräte werden von der Uni gestellt – und damit von der öffentlichen Hand mitfinanziert. So erklärt sich auch der unschlagbar günstige Preis der Gerichte.

Hitziger Abwasch

«Küche? Bitte noch Gemüse Menü 1», tönt es aus einem Lautsprecher in der Wand. Während einer der Köche prompt antwortet, schliesst Steinmetz vorne sein Kassenterminal ab. Es ist 13 Uhr. Der grosse Ansturm ist vorbei, man braucht den Chef an der Front nicht mehr. Doch bereits hat sich eine neue Warteschlange gebildet, diesmal beim Förderband für die Geschirrrückgabe. Die leergegessenen Teller gelangen über einen Lift aus der oberen Mensa nach unten in die Abwaschküche; ein enger, heisser Raum. Am Ende der Föderbänder stehen Angestellte und sortieren das dreckige Geschirr und verräumen das Gewaschene: Dies sind die härtesten Jobs in der Grossküche. Basili Castrovinci, der für für diesen Bereich verantwortlich ist, nimmt die stressige Arbeit in der Hitze pragmatisch hin: «Im Winter ist es schön warm hier.» Viele hier sprechen gebrochen Deutsch, sind zum Teil noch nicht lange in der Schweiz. Die Abwaschküche sei oft der Einstieg in den Betrieb, doch wer Ambitionen habe, könne auch weiter aufsteigen, sagt Betriebsleiter Steinmetz. Zeit, um Sprachfähigkeiten zu trainieren, bietet sich in der Abwaschküche allerdings wenig. Endlos strömen die Tabletts herein, in den engen Raum, der fast vollständig von der gigantischen Spülmaschine eingenommen wird. Das Band in diesem Koloss nimmt alles auf, was die Arbeiter draufladen: Teller, Tabletts, Schalen, Gläser, Edelstahlwannen und Aschenbecher. Alles kommt nach kurzer Zeit am anderen Ende des Tunnels blitzblank wieder zum Vorschein.

Stress ist an diesem Arbeitsort Alltag. Problematisch wird es dann, wenn der Lift oder die Waschstrasse plötzlich ausfallen. «Dann herrscht natürlich Krieg. Es dauert keine fünf Minuten, bis die Studierenden ihre Tabletts einfach auf den Boden stellen und gehen», sagt Steinmetz. In solchen Fällen gelte es, schnell zu reagieren und Abräumwagen bereitzustellen. Schnell türmt sich das Geschirr auch in der Abwaschküche bis unter die Decke. Der zusätzliche Stress lässt Castrovinci an seinem heissen Arbeitsplatz aber kalt. Er tue, was getan werden müsse. Damit die Studierenden von Neuem ihre Menüs aus den frisch gewaschenen Tellern essen können. Mit oder ohne Gemüse. ◊

In Zusammenarbeit mit Simon Leuthold