Blutiges Kulturgut
Der Dokumentarfilm «The Islands and the Whales» beleuchtet den umstrittenen Walfang auf den Färöer Inseln im Brennpunkt zwischen Kultur, Gesundheit und Umwelt.
Wenn sich das Meerwasser vor den Färöer Inseln rot färbt und hunderte von Männern aufgeregt an den Strand rennen, ist es wieder so weit: die Waljagd hat begonnen. Die mit kleinen Motorbooten in die Bucht getriebenen Grindwale werden von den Einwohnern mit gezielten Stichen getötet und noch am Strand zerlegt. Dabei weiss jeder genau, was zu tun ist. Schliesslich lebt diese einem Volksfest gleichende Tradition seit Generationen und war früher überlebenswichtig. Die Beute wird gleichmässig an alle Beteiligten verteilt. Und landet später bei diesen auf dem Esstisch.
Vier Jahre lang hat der schottische Filmemacher Mike Day die Färöer begleitet und diese umstrittene Thematik unter den Aspekten der Kultur, Gesundheit und der Umwelt im Wandel der Zeit beleuchtet.
Quecksilber im Fleisch
Es ist Mittagszeit bei einer jungen, einheimischen Familie. Auf dem Teller der Eltern, wie auf dem der drei kleinen Kindern, liegt ein grosses Stück gekochtes Walfleisch. Der Vater war bei der Jagd dabei. Die junge Mutter, die als Krankenschwester arbeitet, erzählt während dem Essen von ihrem Arbeitstag im lokalen Krankenhaus. Schon wieder seien sie über die gesundheitlichen Folgen des Walfleisches gewarnt worden. Die Studien seien noch immer am laufen – und die Quecksilberwerte seien hoch. Der Vater schüttelt lachend den Kopf. Er lässt sich sein Lieblingsessen nicht von diesen wissenschaftlichen Studien verderben: «Wer weiss schon, ob das wirklich stimmt?» Schweigend isst die Familie weiter.
Die erwähnte Studie wird seit zwanzig Jahren vom einheimischen Arzt Dr. Pal Weihe geführt. In den Haaren der Walfleisch-Konsumierenden misst er den gesundheitsschädlichen Quecksilbergehalt. Wegen der Umweltverschmutzung steigt dieser Gehalt im Meerwasser – und somit auch im Wal, welcher am Ende der Nahrungskette steht. Über die möglichen gesundheitlichen Folgen, wie Hirnschäden und Parkinson, versucht sie der Arzt aufzuklären, was keine leichte Aufgabe ist.
Internationale Empörung
Das internationale Interesse am färöischen Walfang zur Zeit gross, was am Beispiel der einheimischen Metalband «Tyr» zu sehen ist. Deren Sänger gilt als Verherrlicher der Grindwal-Jagd. Auf Facebook etwa hat er ein Bild eines Stücks Walfleisch auf seinem Teller hochgeladen. Daraufhin wurden mehrere Konzerte der Band in Deutschland abgesagt. Das im November angesagte Konzert in der Schweiz hat bisweilen bloss einen medialen Shitstorm ausgelöst.
Auch internationale Tierschützer, wie etwa «Sea Shepherd», versuchen sich vor Ort zwischen Jäger und Gejagte zu stellen. Die Waljäger argumentieren mit der schnellen Tötungsweise und der streng geregelten Menge für den Eigenbedarf. Und natürlich dem identitätsstiftenden Moment. Mike Day portraitiert diesen Konflikt mit stimmungsvollen Aufnahmen. Das Urteil aber überlässt er dem Publikum.