Lädt langsam: Bundesrat Schneider-Ammann.

Der Zukunft hinterhergerannt

27. September 2016

Die Universität startet mit viel Prominenz eine Initiative zur Erforschung der digitalisierten Welt. Doch haben Politik und Forschung den Anschluss nicht längst verpasst?

Die Aula der Universität Zürich war beinahe bis auf den letzten Platz gefüllt, als Rektor Michael Hengartner letzte Woche zur Lancierung der UZH Digital Society Initative (DSI) lud. Versammelt hatten sich Interessierte aus Forschung und Wirtschaft, alle wollten sie der geballten Politprominenz zuhören: Bundespräsident Johann Schneider-Ammann und die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner gehörten zu den Vortragenden.

Bei der DSI handelt es sich um eine Forschungsinitiative, welche den Einfluss der Digitalisierung auf Gesellschaft und Wissenschaft untersuchen will und alle Fakultäten der Uni Zürich umfasst. Die Initiative wird die Hochschule 300'000 Franken kosten, schätzt Hengartner. Rund die Hälfte davon soll mit Drittmitteln finanziert werden.

Im Zuge der Initiative werden verschiedene Projekte gestartet, die zu einem besseren Verständnis des technologischen Fortschritts und der Rolle, die er für die Gesellschaft spielt, führen sollen. So beschäftigt sich eines der Forschungsprojekte mit den Auswirkungen von digitalen Assistenten – beispielsweise Smartphones – auf menschliche Emotionen; und damit, wie sich unsere Navigationsfähigkeit durch die Unterstützung von digitalen Karten verändert. Ein anderes Forschungsprojekt untersucht die Möglichkeiten, mittels Videospielen moralisches Empfinden zu schärfen.

Eine neue Art von Demokratie?

Im Kern aller Lancierungs-Vorträge steckte eine grundsätzliche und nicht unbedingt neue Feststellung: Technologie und Digitalisierung sind mittlerweile allgegenwärtig und verändern die Gesellschaft grundlegend. Diese Aussage wurde durch das wiederholte Klingeln eines Handys und den fahlen Schein einiger Smartphone-Displays im Saal nur allzu deutlich unterstrichen. Dass die Wissenschaft aber noch wenig über die Auswirkungen dieser Veränderungen weiss, betonte Rektor Hengartner in seiner Begrüssungsrede. Es sei unumgänglich, dass sich Digitalisierung auch auf die politische Verfasstheit unserer Gesellschaft auswirkt: «Daher ist es nun höchste Zeit, dass wir differenziert und kritisch darüber nachdenken, wie diese neue Art von Demokratie gestaltet werden soll.»

«Wir machen keine Interventionspolitik»

Einerseits handelte es sich bei der Veranstaltung um eine Art PR-Anlass für das kürzlich eröffnete Museum of Digital Art in Zürich und andererseits um eine Parade für Wissenschaft und Forschung. Dennoch wagte Schneider-Ammann zu erwähnen, dass die Digitalisierung auch einen negativen Effekt haben könne: «die Angst vor der Blossstellung von persönlichen Daten, gar der Blossstellung der eigenen Persönlichkeit an sich». Dazu passte das projizierte Bild, das über dem Anlass schwebte: eine Gruppe von Menschen, die nur als Schattenprofile erkennbar sind, die Körper von Nullen und Einsen ausgefüllt. Dem Bundespräsiden-ten war es trotz dieses Szenarios jedoch offensichtlich wichtig, zu betonen, dass Verbote kein taugliches Instrument zur Steuerung einer Welt im Wandel seien. Unmissverständlich statuierte er: «Wir machen keine Interventionspolitik. Denn am besten unterstützt man politisch, indem man sich zurückhält.»

Der Rektor seinerseits betonte, dass er überzeugt sei, dass wir den technologischen Wandel «proaktiv» mitgestalten können. Aber nach diesem hochdekorierten Startschuss der DSI bleibt die Frage, ob man im Jahr 2016 mit einer solchen universitären Forschungsinitiative der Digitalisierung nicht etwas unbeholfen hinterherrennt, während private Weltunternehmen das Zepter schon längst in den Händen halten und die Richtung vorgeben. ◊