Stefan Bohrer

Grundeinkommen: Leistung als Fetisch

Kommentar — Am Sonntag stimmen wir über das bedingungslose Grundeinkommen ab. Ein Kommentar über Möglich- und Unmöglichkeiten, Arbeit und ihren Wert.

23. Mai 2016

«Schöne Idee, nicht zu machen». In diesem Rahmen bewegen sich die meisten Antworten, welche man auf die Frage nach der Umsetzbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens hören konnte. Doch woher kommt eigentlich dieses breite Misstrauen gegenüber einer Idee, welcher viele von uns aus dem Bauch heraus gerne zustimmen würden? Ist es für einen Staat wirklich so schwierig, jährlich irgendwo mal schnell 200 Milliarden Franken zusammenzukratzen und an seine Bürger zu verschenken, gerade für einen so reichen wie die Schweiz? Das bleibe einmal dahingestellt, liegt der Hund doch an ganz anderer Stelle begraben: Nämlich bei unseren tiefsten Überzeugungen. Leistung ist der Fetisch unserer Gesellschaft. Wenngleich sich das natürlich in allen Bereichen unseres alltäglichen Miteinanders widerspiegelt, merkt man das insbesondere an unserem Verhältnis zu Arbeit.

Arbeit wird mit Geldzahlungen entlohnt, wodurch Leistung quantifizierbar wird. Alles, was gut ist, nämlich eben die persönliche Leistung in Form von verrichteter Arbeit, kann in eine Zahl gefasst werden, und die steht auf dem Lohnausweis. Was ist denn aber Geld noch wert, wenn man es plötzlich für alles bekommt, sogar für nichts? Das bedingungslose Grundeinkommen löst Unbehagen aus, weil es eine bekannte, bewährte und sicher auch erwünschte Leistungs- und Belohnungslogik in Frage stellt. Zumindest scheinbar, denn geht es dem Begehren nicht darum, Leistung weniger zu belohnen, sondern mehr soziale Sicherheit zu gewährleisten. So sollen auch Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen es mehr Menschen möglich ist, die gesellschaftlichen Leistungserwartungen durch Innovation und Motivation zu erfüllen.

Doch so einfach geht es bei uns nicht: wenn Leistung belohnt werden soll, muss Nicht-Leistung bestraft werden, und zwar in Form von sozialem Abstieg, Ächtung und Armut. Wird das Bedingungslose Grundeinkommen an der Urne also abgelehnt, müssen wir uns nicht lange grämen. Es hätte ja eh nicht zu uns gepasst.