Arundhati: «Prejudices and stereotypes do exist.» Jasmine Chahal, DU Beat

Wie absolut ist unsere Demokratie?

Der Kampf um die Bildung in Indien verschärft sich. Nach wie vor beeinflusst die gesellschaftliche Stellung die Möglichkeiten.

Vani Vivek (Text) und Severin Frohofer (Übersetzung)
10. Mai 2016

Das indische Bildungssystem spült jährlich Tausende von Berufsleuten mit den verschiedensten Studienabschlüssen auf den Markt und ist dennoch weit davon entfernt, perfekt zu sein: Das Hauptaugenmerk der Hochschulen liegt auf Auswendiglernen statt auf echtem Lernen und Forschen. Die Infrastruktur ist mangelhaft. Es gibt klassen- und kastenbedingte Benachteiligungen und damit einhergehend Qualitätsunterschiede in der Ausbildung. Das Bildungssystem – und so auch der Weg zu einem höheren Lebensstandard für die indische Bevölkerung – wird von ökonomischen, sozialen und politischen Faktoren beeinflusst.

Politik bestimmt Lehrpläne

In einem Land wie Indien, wo die Bevölkerung im wahrsten Sinn des Wortes vielschichtig ist und die Chancen entsprechend ungleich verteilt sind, ist der Zugang zu vollwertiger Bildung der einzig gangbare Weg, um das Gefälle zwischen den sozialen Schichten längerfristig zu ebnen.

Die Verteilung von Fördermitteln und andere Entscheidungen innerhalb des Bildungssektors sind politisch, das Leben der Studierenden also untrennbar an die politische Situation im Land gekoppelt. Der Einfluss der Politik auf das Bildungssystem hat gravierende Folgen: Es gibt Universitäten, die mit der Anpassung von Lehrplänen und Strukturen die Regierungspartei zu besänftigen versuchen, was bei den Studierenden zu einer verfälschten Optik auf die politischen Beziehungen Indiens führt. Auf dem Campus der Universitäten sind aber Studierendenfraktionen aller nationalen Parteien äusserst aktiv. Sie bieten künftigen Führungspersonen und offenen Debatten eine Plattform, die Jungen können ein besseres Verständnis vom Leben ausserhalb der Uni entwickeln.

Die politische und soziale Situation bringt gerade das ganze Land in Aufruhr. In den letzten Monaten wurden wir Zeugen von hitzigen und gewalttätigen Debatten über die Ungleichheit der Kasten, den aufkeimenden Nationalismus, Aufwiegelung, den Umgang mit Dissens und das Recht auf Meinungsäusserungsfreiheit – nicht nur an der Delhi University, sondern auch an anderen Bildungsinstitutionen.

Absolute Demokratie?

Massenproteste gegen die Kürzung von Stipendien für Doktorierende («Occupy UGC»), ein bedauerlicher Selbstmord eines Studenten aus einer «rückständigen» Schicht, wohl wegen finanziellem Stress und der Unipolitik, die Verhaftung von Studierenden, weil sie an «antinationalen» Aktivitäten teilgenommen haben... Die grösste demokratische Gesellschaft der Welt ist heute in einer Situation, in der sich die Frage aufdrängt: Wie absolut ist unsere Demokratie?