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Schreiben gegen das Verbrechen

Journalismus ist in Mexiko lebensgefährlich. An der Universidad Autónoma de Querétaro kann man das investigative Handwerk trotzdem lernen.

Víctor López Jaramillo (Text) und Simon Truog (Übersetzung)
10. Mai 2016

Während Sie diese Zeilen lesen, wird vielleicht in Mexiko gerade ein weiterer Journalist ermordet. Diese bittere Prophezeiung entspringt nicht schierem Pessimismus, sondern der Einsicht in die schmerzliche Realität, in der sich die Medien in Mexiko nun seit mehr als einem Jahrzehnt befinden. Zweifellos wurde die Büchse der Pandora geöffnet.

Die Fakten zeichnen ein haarsträubendes Bild. Gemäss einem Bericht der CIDH (Interamerikanische Kommission für Menschenrechte) über die Pressefreiheit wurden in den Jahren 2010 – 2015 in Mexiko mehr als 55 Journalistinnen und Journalisten ermordet. Die CNDH (Nationale Menschenrechtskomission in Mexiko) zählt 107 Morde an Journalistinnen und Journalisten in den Jahren 2000 – 2015.

Punkt 376 des CIDH-Berichtes lautet: «Die Informationen bestätigen, dass es sich bei den Opfern hauptsächlich um Journalistinnen und Journalisten handelt, die über Beamtenkorruption, Drogenhandel, organisiertes Verbrechen, fehlende öffentliche Sicherheit und ähnliche Themen berichteten.» Die Morde seien die extremste, aber längst nicht die einzige Form der Gewalt an Medienschaffenden. Drohungen, Entführungen, körperliche Gewalt, Attacken auf Kommunikations- und Medieneinrichtungen und sogar Hacker-Angriffe gehören für mexikanische Journalistinnen und Journalisten zur Tagesordnung. Schliesslich erwähnt der Bericht noch die Selbstzensur, die sich die Schreibenden auferlegen, um schlicht ihr Leben zu schützen.

Mexikanische Schweiz

Ich schreibe von Querétaro aus, der Hauptstadt des gleichnamigen Staates, der im Zentrum der mexikanischen Republik liegt. Während Jahren herrschte in Querétaro ein friedliches Klima. Auch in den gewaltvollsten Momenten der mexikanischen Revolution war der Staat ein friedlicher Ort, eine Art «mexikanische Schweiz», wie es damals hiess. Auch wenn hier kein offenkundig gewaltvolles Klima herrscht, gibt es sehr wohl Aggressionen gegen Journalistinnen und Journalisten. Da es hier keine kommerziell wirklich erfolgreichen Medienunternehmen gibt, sind viele von staatlichen Geldern abhängig, die sie durch das Publizieren von Staatspropaganda erhalten. So können die lokalen Regierungen die Medien durch Belohnung und Bestrafung kontrollieren, was eine wirklich freie Meinungsäusserung völlig verunmöglicht.

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, denken Sie sicher, dass in Mexiko niemand journalistisch arbeiten will, nur schon wegen der physischen Gewalt und des ökonomischen Drucks, denen man in diesem Beruf hierzulande ausgesetzt ist. Aber vergessen Sie nicht: Als Pandora die Büchse öffnete und die Übel entflohen, blieb die Hoffnung darin zurück.

Journalismus als Hoffnung

Es wird Sie überraschen, zu erfahren, dass zumindest an der Universidad Autónoma de Querétaro (UAQ) der Studiengang in Kommunikation und Journalismus zu den gefragtesten gehört. Was bewegt diese Studierenden angesichts solch trüber Aussichten dazu, Journalismus zu studieren? Es ist zweifellos die Hoffnung, die trotz allem in dieser neuen Generation reichlich vorhanden zu sein scheint.

Vor einigen Jahren wurde an der Politik- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der UAQ die Wochenzeitung «Tribuna de Querétaro» gegründet, in welcher wir – Journalismus-Studierende und eine Gruppe von Professorinnen und Professoren – wöchentlich einen Raum schaffen für investigativen Journalismus sowie den Studierenden ermöglichen, praktische Erfahrung zu sammeln.

Nächsten Februar feiert die Tribuna ihren 20. Geburtstag. Unser journalistisches Projekt hat zum Ziel, ein machtkritisches Medium zu sein und die Demokratie in Mexiko zu stärken. Vielen der studentischen Arbeiten ist es gelungen, Einfluss auf die Agenda von Medien mit nationaler Bedeutung auszuüben. Letztlich gelang es Pandora, nichts Geringeres als die Hoffnung in ihrer Büchse zurückzubehalten. Und mit Hoffnung und Bildung streben wir danach, am Wiederaufbau dieses Landes durch unsere journalistische Arbeit mitzuwirken.