Pornos für die Kunstsammlung. PJ Hardwank

Arty-farty Porno-Party

Sexfilme wurden jahrzehntelang versteckt und geächtet. Nun wird die hohe Kunst der Pornographie endlich als ästhetisch bedeutsames Genre anerkannt. Ist das wirklich nötig?

8. April 2016

Ich bin ein Material-Fetischist. Filme lade ich nicht herunter, ich kaufe sie mir in Collector-Editions. Bytes kommen mir nicht auf die Ohren, Musik höre ich vom Plattenspieler. Trotzdem habe noch nie in meinem Leben einen Porno auf DVD oder VHS in meinen Händen gehalten. Die ästhetische Materialisierung meiner Geilheit ist mir keinen müden Rappen wert. Denn Pornos fristen ein tristes Dasein als Randerscheinung der Kulturproduktion. Und seien wir ehrlich: völlig zurecht.

Von hanebüchenen Klempnergeschichten, räudigen Pizzaboten und grossbusigen Stiefmüttern mit zweifelhafter Auffassung von Fürsorgepflicht wird der Durst nach intellektuellem Amusement nicht gestillt. Auf Dialoge wie «Unserer Firma fehlt das Geld, Mr. Miller» – «Sie müssen sich besser verkaufen, und überhaupt: Sie sehen auch nicht schlecht aus» und Grossaufnahmen von Weichteilen hat das cineastisch interessierte Publikum einfach nicht gewartet. Pornos gelten auch nicht als Statussymbol. Niemand stellt sich «Analritter 2 – Heute wird eingedost» neben «Casablanca» ins wohlsortierte Filmregal. Sexfilme sind die Gebrauchsliteratur unter den Filmgenres, sie dienten lange Zeit einem einzigen Zweck: der sexuellen Befriedigung des Betrachters.

Emanzipation einer verfemten Kunst

In den letzten Jahren – nachdem das ewige Rein-Raus durch billig produzierte Gonzo-Filme auf die Spitze getrieben wurde – hat ein Umschwung stattgefunden. Filme mit Hochleistungsrammlern, die so haarlos daherkommen, als wären sie einer wochenlangen Quecksilberkur ausgesetzt worden, scheinen aus der Mode zu kommen. Stattdessen finden Werke, die die «natürliche» Sexualität zelebrieren, immer mehr Beachtung. Will heissen: weniger Hardcore, weniger sinnentleerte Storys, weniger überbelichtete Sets – mehr ästhetische Qualität.

Das Schweizer Label «Glory Hazel», das von zwei jungen Frauen betrieben wird, ist auf den Trend aufgesprungen. Die «Pornographical Remixes», die sie bisher veröffentlicht haben, sind Collagen handverlesener Szenen aus Pornos der 70er- und 80er-Jahre – bildtechnisch aufbereitet und neu vertont. Die beiden Anthologien (wovon die erste bereits vergriffen ist), kommen in einer schicken weissen Kartonhülle, inklusive Kunstdrucken von Filmstills, daher – bereit fürs Filmregal.

An welche Zielgruppe sich die frivolen Kompilationen richten, bleibt indes unklar. Sind diese Filme nur noch für Connaisseurs der Erotik-Kultur und Feministinnen mit Flair für die Fleischeslust? Und: Darf man sich an diesen Kunstwerken überhaupt noch aufgeilen?

L’art pour la lubricité

Diese neue Entwicklung innerhalb der Porno-Industrie, die manchmal unter «Heart-», manchmal unter «ArtCore» zusammengefasst wird, hat tatsächlich zahlreiche äusserst ansehnliche Filme hervorgebracht, die die plumpen, oft auch sexistischen Hardcore-Pornos um Längen übertreffen. Grundsätzlich ist das sehr zu begrüssen, auch um des Seelenheils der jüngeren Generation willen – doch muss man sie deshalb gleich zu Kunstfilmen stilisieren?

Gerade das verhindert doch ihren Eingang in die gängigen Gratis-Portale. Und schliesslich gibt es Autorenfilme mit expliziten Sexszenen bereits en masse («Nymphomaniac»). Es tut nicht Not, Gütesiegel sexpositiver Feministinnen zu verteilen, die besten Regisseurinnen zu küren und die Lust im Diskurs tot zu debattieren. Pornos verweigern sich dem Diktum des «l’art pour l’art» – sie sind fürs Wedeln da.