Bruno Rubatscher

Im imaginären Figurenkabinett

Michael Elseners neues Programm feiert im Theater am Hechtplatz Zürcher Premiere. Ein Abend mit «20 Minuten», ulkigem Publikum, Pingu und Christa Rigozzi.

24. Februar 2016

Oft – und gerade bei Comedy-Programmen – ist ja das Publikum die Hauptattraktion. An der Zürcher Premiere von Michael Elseners neuem Programm war das nicht der Fall. Obwohl sich einzelne Akteure durchaus Mühe gaben, das Klischee zu bedienen. Da war zum Beispiel der Exhibitionist in der ersten Reihe, der vor Beginn der Vorstellung durch den vollen Saal winkt und beide Daumen hochstreckt. (Charly, pensionierter Architekt aus Basel, wie wir noch erfahren sollten.) Oder die beiden Ulknudeln Anfang 50, die sich in der dritten Reihe, als das Licht erloschen war und Elsener die Bühne betrat, noch schnell etwas Lustiges auf dem iPhone anschauen mussten. Über Kopfhöhe, auf höchster Helligkeitsstufe. Getreu dem Motto des Programms: «Mediengeil».

«Die grössten Schweizer Probleme»

Behandelt werden vor allem die traditionellen Formate: Radio, Print und Fernsehen. (Die bereits von jedem zweiten Spassmacher ausgeschlachteten Social Media kommen Gott sei dank nur am Rande vor.) Gleich im ersten Sketch, einer Radioshow von Energy-SRF-105, zeigt der Kabarettist, wie er das Thema angeht: mit vielen Figuren, Dialekten, Stimmen und jeder Menge Wortwitz.

Parodien sind das Steckenpferd Elseners. Sein Aeschbacher klingt authentischer als der echte und sein Epiney so penetrant fröhlich, dass man sich im Studio von «5 gegen 5» wähnt. Richtig zum Schreien wird’s, wenn Elsener sieben Prominente gleichzeitig mimt und virtuos zwischen seinen Charakteren hin- und herwechselt, wie er es in seinem Sketch «Die grössten Schweizer Probleme» tut («Die grössten Schweizer Talente», einfach mit Prominenten). Wenn Christa Rigozzi von Bastien Girods Anti-AKW-Vortrag nur die «häärzigä Lüüchtstäbli» mitbekommt, Hansi Leutenegger sowieso nur von sich erzählt und der dritte Juror – Pingu – sein doch sehr beschränktes phonetisches Inventar bemüht, bleibt kein Auge trocken.

Prominente nachzuäffen, ist beileibe keine neue Idee. Was Elsener den anderen Spassmachern im Lande aber voraus hat, ist die Ausgestaltung seiner Figuren: stets überzeichnet, nie übertrieben und immer irgendwie sympathisch. Gleiches gilt für seine Eigenkreationen (ein verschupftes Mamisöhnli, ein Sektenguru, ein Jugo), wenngleich diese etwas weniger nuanciert, etwas mehr den bekannten Stereotypen verhaftet sind. Aber auch die spielt Elsener sehr liebevoll; sogar der knausrige Macho Roni Buser, der seine Frau Regula in den Ferien in Libyen am liebsten für das perfekte Entführer-Video eintauschen würde, wirkt irgendwie liebenswürdig.

Feuerwerk der Malapropismen

Dass das Publikum dem Kabarettisten keine Konkurrenz macht, liegt nebst dem abwechslungsreichen Programm – einer Vielfalt aus Sketchen, Stand-Ups und Liedern – auch daran, dass Elsener sein Publikum direkt einbezieht und in kleinen Improvisationen auch immer wieder zum Thema macht. So war Charly bald ein Freund von Elseners rüstigem Grossvater-Alter-Ego, bald der Anwalt der 20-Minuten-Leserschaft. Damit brachte er auch die beiden spassigen Damen zum schweigen, die immer wieder glatte Sachen reinriefen.

Laut wurde das Publikum, das immer wieder vergnügt Szenenapplaus spendete, nach dem Schlussbouquet: Noch einmal begeisterte Elsener mit seinem virtuellen Figurenkabinett. Er dankte es mit einem improvisierten Malapropismen-Feuerwerk, das auch die Connaisseurs der Kleinkunst an ihre intellektuellen Grenzen brachte. Und liess kein Zweifel daran, wer die Hauptattraktion des Abends war.

Michael Elsener: «Mediengeil». Theater am Hechtplatz. Bis am 26. März, jeweils Mittwoch bis Samstag, 20:00, und Sonntag 18:30 (25.3. keine Vorstellung).