Editorial #6/15

Editorial

27. November 2015

Loslassen — Weil die Zukunft unsicher ist, wird gerne ein krass vereinfachtes Bild von ihr gezeichnet. Entweder ist sie eine vollkommene Welt, in der Tumore und Alzheimer geheilt werden können (ab Seite 20) – oder aber bedrohlich, gefährdet und aussichtslos. Wer letztere Vision vor Augen hat, seufzt, dass früher alles besser war: zum Beispiel im Akademiebetrieb. Damals, als noch Kalter Krieg und Lateinpflicht herrschten, waren die Studierenden politisch (Seite 6 und 11), bald werden sie mit Onlinekursen das Studium vom Bett aus absolvieren können (Seite 8). Das ist der Tod der Akademie, befürchten die Anhängerinnen und Anhänger der alten Schule.

Beklagt wird auch die verlorene Hochkultur. Kein Goethe, nur noch Girl-Bands! Keine Ich-Erzähler, nur noch Ego-Shooter! Dabei entsteht im Netz eine neue Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die beweisen, dass Literatur nicht nur zwischen den Deckeln von Reclam-Heften lebt (Seite 28).

Das Klammern an die Vergangenheit tötet die Kreativität. Das gilt auch für die ZS – und für mich. Ab Januar werde ich Vollzeit arbeiten und meine Masterarbeit schreiben. Das bedeutet, dass ich das Amt der Redaktionsleiterin weitergeben und als «gewöhnliche» Redakteurin weiterschreiben werde. Am liebsten würde ich bis zur Pension «Chef» bleiben – aber zu viel Routine ergibt langweilige Texte. Und eine Zukunft mit langweiligen Texten ist keine, die ich mir wünsche. Darum: Danke für die besten zwei Jahre meines Lebens und danke im Voraus für das Unterdrücken jeglicher Melancholie. Die Zukunft wird schön.

Nina Kunz, Redaktionsleiterin