Übermenschliches, Allzumenschliches
Ohne Medizin können wir nicht überleben. Wir sind abhängig von den Medici, die unsere Vitalfunktionen prüfen, bevor wir überhaupt geboren sind. Uns gegen Masern, Mumps und Röteln impfen, den Blinddarm entfernen und Rezepte ausstellen. Uns nach dem Skiunfall wieder zusammenschrauben. Uns im Herbst unseres Lebens mit blauen Pillen versorgen und uns schliesslich bei Inkontinenz weiterhelfen. Der «Herr Doktor» verlängert unsere Lebenserwartung um Jahrzehnte, und dafür sind wir ihm dankbar.
Die wachsende Macht der Medizin schlägt sich auch im universitären Kontext nieder. Von allen Fakultäten wird in die Medizinische mit Abstand am meisten investiert. Medizin-Studierende kosten die Uni zehnmal mehr als Philosophie-Studierende. Erst kürzlich hat die ETH angekündigt, dass sie einen Bachelor in Medizin einführt. Bei der Umgestaltung des Universitätsquartiers wird mehr Platz für die Medizin geschaffen. Bei der Gesundheit spart man nicht – das tut man im Bildungssektor.
Obwohl den angehenden Ärztinnen und Ärzten scheinbar die Welt zu Füssen liegt, geht mit dem Beruf eine Ambivalenz einher. Im Operationssaal ist man nicht nur der allmächtige Chirurg, der Leben rettet, sondern auch ein fehlbarer Mensch, der enormen Schaden anrichten kann. Schon der kleinste Fehler kann tödlich enden. Wie fühlt sich das an? In dieser Ausgabe betreten wir die heiligen Hallen des Spitals und bitten um Audienz bei ihrer Heiligkeit, um zu erfahren, was hinter dem Altar passiert.