Truog: Hass

Woher kommt der Hass?

25. November 2015

Hass resultiert aus Verletzung und Schmerz. Nietzsche hat ihn unter dem Begriff «Ressentiment» prägnant beschrieben, nicht zuletzt, weil er selbst viel davon in sich trug. Nach ihm ist das Ressentiment ein Rachegefühl, das nicht ausagiert werden kann, sich deshalb ins Gigantische aufstaut und oftmals gegen die eigene Person wendet. Die Geburt dieses Affekts verortet Nietzsche am Nullpunkt der Kultur, als erstmals das menschliche Zusammenleben durch Gesetze geregelt werden sollte und Uneinsichtige hart bestraft wurden. Und so ist das Ressentiment auch und gerade in der Moderne mit ihren grossen Gesellschaften und übergreifenden Gesetzen allgegenwärtig. Jeder Mensch erfährt Verletzungen, wenn er aus seinen kindlich-narzisstischen Anfängen herausgerissen und in eine ihn übersteigende Ordnung eingefügt wird, zuerst in die Familie, dann in die Gesellschaft. Ihm wird nahegelegt: «Du bist vorerst klein und musst dich unterordnen.»

Wenn der Schmerz dieser narzisstischen Kränkung zu gross ist, um überwunden werden zu können, bleibt ein Hass zurück, der ständig nach einer Vergeltung verlangt, die einer phantastischen Logik entspringt und die Realität verkennt. All dies heisst keinesfalls, dass an der Moderne etwas Grundlegendes falsch wäre – im Gegenteil: Genau aus diesen Gründen müssen wir versuchen, unsere Gesellschaften weiter einem demokratischen Ideal anzunähern und sie so umzuformen, dass sie dem Einzelnen Gerechtigkeit geben und ihm ermöglichen, den Hass zu überwinden.

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