Christian Lanz

Orientierungsloser Wüstenritt

25. November 2015

«Satire ist, wenn der Komiker das, was er sagt, ernster meint, als es ist – während es das Publikum lustiger findet, als es ist», beginnt Andreas Thiel nach der Pause. Thiel ist Satiriker oder Humorist, wie er sich abwechselnd selbst beschreibt. Er macht also Satire oder Humor. Oder Satire und Humor. Ziel seines neuen Programms soll jedenfalls sein, uns zu erklären, was diese Begriffe bedeuten.

Und dies tut er keineswegs mittels einer einschläfernden Theorievorlesung. Geschliffene Sätze und treffende Metaphern lassen seine bemerkenswerte Beobachtungsgabe für Details und seine Freude an der Sprache immer wieder durchschimmern: «Die Satire ist der Fussabdruck der Ohnmächtigen auf dem Hosenboden der Mächtigen.» Die raffinierten Wortspiele und seine spitze Zunge zeichnen ihn aus und bieten von Beginn an Wiedererkennungswert.

Allerdings sind solche poetischen Einlagen spärlicher gesät als erhofft. Obwohl Thiel zu Beginn erklärt, dass es ihm als Satiriker egal sei, ob seine Zuschauerinnen und Zuschauer regelmässig lachen oder schweigen, scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Als nähme er Rücksicht auf ein primitives Publikum, wirft er immer wieder mit plumpen, abgedroschenen Pointen um sich und erntet dafür frenetischen Jubel: «Sagt ein Priester zum Ministranten: In dir steckt ein guter Christ.» Noch mitten im Satz kreischt es durch den Saal: «Hahaha, oh mein Gott, wäh, den kenn ich.» Tosender Applaus.

Klar, für solche Zuhörer kann Thiel nichts, ausser, dass er sie voll auf ihre Kosten kommen lässt und sie deshalb wohl mit Entourage wiederkommen werden. Ganz anders die Situation bei den etlichen unscheinbaren, fein gesponnenen Pointen: Zeit zum Fallen wird dem Groschen leider kaum gegeben. Zügig gehts im Text voran, sodass beim darauffolgenden Brüller die kurz gerunzelte Stirn wieder entspannt werden kann. Das gesamte Stück wird von zwei Themen dominiert: Religion und Politik. Nachdem sich Thiel mit seinem Weltwoche-Artikel über den Koran bei Musliminnen und Muslimen mehr als unbeliebt gemacht hat, bekommen diese auch in der Vorstellung – zusammen mit Christen, Buddhisten und Hindus – nochmals ordentlich ihr Fett ab.

Zweiter Programmhauptpunkt sind Spötteleien über Politiker, insbesondere die Sozialdemokraten. Dass Satire nicht nur gegen rechts poltert, ist an sich nichts Schlechtes, im Gegenteil. Doch die Einseitigkeit und fehlende Selbstironie machen die Sprüche vorhersehbar und etwas langweilig. Da nützt auch die sich ständig einmischende Doris Leuthard (ebenfalls von Thiel gespielt) nichts. Regelmässig wehrt sie sich gegen die rechtspolitischen Schenkelklopfer Thiels. Doch anstatt sich selbst hin und wieder geschlagen zu geben, kontert Thiel dann jedesmal mit einer zwar nicht fundierten, doch umso schlagfertigeren Antwort, lässt die Bundesrätin unterlegen verstummen und jegliche Hoffnung auf etwas Selbstironie seinerseits im Keim ersticken.

Thiel umschreibt seine manchmal sehr gewagte Satire als «Ausritt in des Teufels Hintern». Weil ein klar erkennbarer roter Faden fehlt, wirkt die Show doch mehrheitlich wie ein orientierungsloser Wüstenritt auf dem Rücken der Linken und Gläubigen. Es bleibt ihm zu wünschen, dass dies sein Publikum lustiger findet, als es ist.

Andreas Thiel: «Der Humor». Theater am Hechtplatz. Nächste Vorstellungen: 27.–29.11., 2.–3./5.–6./9.–13./16.–20.12.