Maximilian Lederer

Eine Frau gegen die Reform

Der Stand der Privatdozierenden wird abgeschafft. Dorothee Rippmann wirft der Uni fehlende Wertschätzung vor.

25. November 2015

Gleich zu Beginn des Gesprächs verkündet sie in markantem Baseldeutsch: «Wir sind die Vereinigung der Privatdozenten und Titularprofessorinnen! Und wir lassen uns nicht einfach ausradieren!» Professorin Dorothee Rippmann arbeitet seit über einem Jahrzehnt als Privatdozentin (PD) für Geschichte des Mittelalters an der Universität Zürich.

Nun wird ihr Stand (der der Privatdozierenden) rigoros umgebaut, indem alle Lehraufträge in Lehranstellungen umgewandelt werden. Als Folge wird den Privatdozierenden das Recht auf eine bezahlte Lehrveranstaltung pro Semester genommen. Nun sehen sich viele PD mit einer beruflichen Ungewissheit konfrontiert. Rippmann ist – wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen – enttäuscht, wie wenig Wertschätzung die Universitätsleitung den Privatdozenten und Titularprofessorinnen entgegenbringt. Dabei würden diese enorm viel für die Universität leisten: «An der Philosophischen Fakultät sind wir für fast 30 Prozent der Lehre zuständig.» Ihre Zukunft an der Universität ist zwar gesichert, weil sie eine Teilzeitanstellung für curricular relevante Lehre erhält. Sie sagt aber dennoch, vielleicht auch im Namen derer, die keine fixe Anstellung erhalten haben: «So müssen wir doch den Eindruck gewinnen, dass man uns unter Wert verkauft.»

Abwertung

Diese Einschätzung teilt auch Professor Stephan Schmid, Präsident der PD-Vereinigung der Philosophischen Fakultät. Er fühlt sich von der Universität im Stich gelassen. Die vorgeschlagenen Reformen würden zu einer Abwertung von Habilitation und Titularprofessur führen. Die Enttäuschung vieler Privatdozierender sei gross – besonders weil diese seit Jahren erhebliche Dienste für die Universität leisten und nun befürchten müssen, in Zukunft keine bezahlte Lehre mehr erteilen zu können.

Für Rippmann hat die Reform noch eine andere Dimension, wie sie zu verstehen gibt. Die Ursache liege tiefer begraben. Sie könne nicht verstehen, wieso man so viel Mühe darauf verwendet, immer neuen wissenschaftlichen Nachwuchs zu habilitieren, wenn es gleichzeitig nur so wenige Lehrstühle zu besetzen gibt. Die Reform mache die akademische Laufbahn noch unattraktiver als bisher. Rippmann wählt ihre Antworten bedacht, aber formuliert sie angriffig und in Schriftdeutsch, wenn ihr etwas wichtig ist: «Da lügt sich doch eine ganze Organisation in die Tasche!»

Dorothee Rippmann, geboren 1951, forscht seit Jahren zur Stellung der Frau und zu anderen marginalisierten Gruppen im Mittelalter. Gleichstellung ist für sie auch in der Gegenwart ein wichtiges Thema. Im Gespräch hält sie mit Bezug auf die Reform fest, dass familienpolitisch fortschrittliches Denken auf der Ebene der Lehrstühle eher die Macht der Männer stärke als jene der qualifizierten Akademikerinnen. Darum fordert sie: «Wir Frauen müssen uns selbst vorwärts bringen!»