Truog: Zweifel

Truog erklärt die Welt

21. Oktober 2015

Weshalb zweifeln wir? — Zweifel sind unangenehm, wir wollen sie loshaben. Sie versperren uns den Weg, und aus Gemütlichkeit oder gar Schwäche wollen wir den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Deshalb machen wir einen Bogen um unsere Zweifel und verdrängen sie. Für Kierke-gaard war das spiessbürgerliche Leben in Ruhe und Ordnung nichts Anderes als eine Burg, in der man sich vor seiner latenten Verzweiflung verschanzt. Und diese latente Verzweiflung kommt nicht daher, dass irgendetwas schiefgelaufen wäre, sondern entsteht, wenn wir uns mit den wirklich wichtigen Fragen unserer Existenz nicht auseinandersetzen, etwa: Was will ich aus meinem Leben machen? Oder: Geht mich das Schicksal anderer Menschen etwas an?

Statt uns diesen Fragen zu stellen, flüchten wir uns in eine vorgefertigte Rolle, werden zu einem «normalen» Menschen, geben unsere Individualität auf. Eigentlich müssten wir unsere Zweifel lieben, denn in ihnen meldet sich nichts Anderes als unser Verstand zu Wort, der sagt: Da kann etwas nicht stimmen, das geht so nicht, das ist Selbstbetrug! Wer kritisch ist, hat seinen Verstand bewahrt. Und wer in einer Zeit, in der es fast überall nur um Geld und Konkurrenz geht, zweifelt, der ist noch nicht komplett verblendet.

Aber was kommt nach dem Zweifeln? Keine Gewissheit – die gibt es nie. Vielleicht eine Überzeugung, ein Glaube gar, an die Vernunft, an das Leben, an das Gute, an Gott. Aber bereits zweifle ich an diesem Gedanken.

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