Anna Dettwiler

Lichtblicke: Flyer-Geier

Die Uni ist ein Absatzmarkt für Flyer-Verteiler. Doch nach welchem Schema werden die glücklichen Empfänger auserwählt?

13. Oktober 2015

An der Uni kennt sie jeder. Egal, ob jemand im September das 21. Semester begonnen oder zwei Wochen zuvor noch den Erstsemestrigen-Tag besucht hat, jeder, der auch nur im Entferntesten etwas mit der Uni zu tun hat, kennt sie. Die Reaktionen auf Flyer-Verteiler sind indes sehr verschieden; es gibt die typischen «Ich-bin-zu-cool-für-Flyer»-Studis mit einer «Was-willst-du-mir-schon-Neues-erzählen»-Attitüde, die nicht mal die Apple-Kopfhörer rausnehmen, geschweige denn die Flyerer eines Blickes würdigen. Dann gibt es die, die die Sätze «Sorry, bi nonig 18ni» und «Ha scho abgstume/gwählt/underschribe» jeden Abend als Mantra vor dem Schlafengehen herunterbeten und die Flyerer deshalb mit einem lässigen «nei merci, schöne no» abwimmeln. Es gibt – wie immer – auch die Weltverbesserer, deren Mittagessen von not guilty ruhig kalt werden darf in der Papiertragetasche, während sie mit dem Flyer-Verteiler über Gut und Böse diskutieren. So viel zu den drei häufigsten Ansprechpartner-Protoypen von Flyerern, diesen Underdogs, diesen tapferen Stehaufmännchen, von denen man nie weiss, ob sie eigentlich an das glauben, wofür sie flyern.

Prominent ignoriert

Letzte Woche aber geschah etwas, das meine Sicht auf das Flyern für immer verändern sollte. Als ich mit der üblichen Höflichkeitsverspätung in Richtung Hauptgebäude stapfte, begegnete ich drei Flyerern, und da ich zu den Menschen gehöre, die interessiert schauen, einen Flyer nehmen und ihn später als Einkaufsliste benutzen, steuerte ich gar direkt auf eine Flyererin zu. Als ich vor ihr stand (ja, stehen blieb!) schaute sie mich kurz an, machte dann einen Bogen um mich und drückte ihren Flyer jemand anderem in die Hand. Zutiefst verstört machte ich mich dann auf in die Vorlesung. Und frage mich noch heute: Warum gab mir diese Person keinen Flyer? Wie, um alles in der Welt, kann man nicht ins Schema einer Flyer-Verteilerin passen? War es sexistisch motiviert, oder hatte es etwas mit meiner Jacke zu tun? War ich ihr einfach nicht speziell genug, oder gar zu exzentrisch? Oder hatte diese Flyererin es sich zum Sport gemacht, nur Leuten einen Flyer anzudrehen, die sich nicht dafür interessierten?

An diesem Tag wurde ich zu einem Flyer-Geier; nie wieder wird mir jemand einen Flyer vorenthalten. Und wenn es der Flyer zur Plattentaufe eines Wasserkocher-Orchesters ist, dann werde ich diesen Flyer kriegen, und ich werde auch hingehen!