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Wundermittel Muttermilch?

Mit Stiftungsgeldern wird ein neuer Lehrstuhl zur Erforschung von Muttermilch geschaffen. Ein umstrittener Entscheid.

14. September 2015

Worum geht es?

Die Wissenschaft verkauft die Muttermilch als neues Wundermittel. Sie soll Infektionen vorbeugen, den plötzlichen Kindstod verhindern, die Entstehung von Allergien mindern und Brustkrebserkrankungen entgegenwirken. Die Uni Zürich richtet nun den weltweit ersten Lehrstuhl für Muttermilchforschung ein. Dieser wird von der Familie-Larsson-Rosenquist-Stiftung mit 20 Millionen Franken fremdfinanziert. Die Erwartungen sind gross, weil seit kurzem bekannt ist, dass in der Muttermilch Stammzellen zu finden sind, die sich in alle möglichen Zelltypen verwandeln können. Besonders die Krebs- und Alzheimerforschung lässt dies aufhorchen. Normalerweise müssen Stammzellen nämlich aus Embryonen gewonnen werden, die bei der Entnahme zerstört werden. Die Gewinnung aus der Muttermilch gilt als ethisch vertretbarer. [Zeier]

Pro

Drittmittel sind umstritten – und das ist gut so, denn die Uni sollte genau hinschauen, welche Gegenleistung der Geldgeber erwartet. Grundsätzlich schaden tun sie der Uni aber nicht. Wenn Stiftungen oder Privatpersonen der Wissenschaft Gelder zur Verfügung stellen, muss einfach sichergestellt werden, dass ihre Interessen die Forschung und die Resultate nicht beeinflussen. Konkret heisst das, dass Berufungen für fremd finanzierte Lehrstühle nach denselben Verfahren ablaufen müssen wie bei öffentlich bezahlten – Berufungskommissionen müssen also die Interessen der Wissenschaft, nicht die der Privaten repräsentieren. Zudem müssen die Resultate veröffentlicht werden – egal, was diese aussagen und bewirken. Weiter sind die Verträge über die Zusammenarbeit selbstverständlich offenzulegen. Ist das gewährleistet, dienen Drittmittel der Wissenschaft. Der Vorwurf, dass Private mit Geld die Forschung beeinflussen, mag stimmen – nicht aber, dass dadurch stets die Grundlagenforschung in Gefahr gerät. Auch der Staat ist keine neutrale Institution: Die Politik (in unseren Land also eine bürgerliche Mehrheit) bestimmt direkt und indirekt mit, für welche Forschungsprojekte Geld gesprochen wird. Ob da in jedem Fall die Forschungsideen privater Stiftungen schlechter sind, kann bezweifelt werden [Stoll].

Contra

Eine Zitze für alle! – Eine Stiftung, die sich der Förderung der Muttermilch verschrieben hat, sponsert einen Lehrstuhl für Muttermilch. Wirklich koscher klingt das nicht. Die Wochenzeitung (WOZ) sprach gar von einer «Muttermilch-Mafia». Doch von einer undurchsichtigen Organisation, die ihre Ziele nicht offenlegt, kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil, die Pressure-Group verhehlt ihre Interessen nicht im Geringsten.

Die Verantwortung liegt am anderen Ende der Banküberweisung: Die Unileitung muss garantieren, dass die Forschung unabhängig bleibt und die Uni nicht zur Werbeplattform für private Interessenträger wie die UBS, Hansjörg Wyss, die Jacobs Foundation oder eben die Familie-Larsson-Rosenquist-Stiftung verkommt. Die Stiftungsprofessur wird am Kinderspital beheimatet sein. Die unabhängigen Forschungsprojekte werden sich voraussichtlich also vor allem um die positive Wirkung von Mamas Nektar drehen. Wirklich fair verteilt wären die Gelder jedoch erst dann, wenn damit auch Studien finanziert würden, die hinterfragen, welches Familien- und Frauenbild hinter der Förderung (und den Förderern) von Muttermilch steht. [Kuratli]