Nicht schlecht, der Sitzungssaal der Unileitung. Maya Wipf

«Das ist kein Masterplan»

Letztes Jahr stellte der Rektor seine Reformpläne vor. Mit der drastischsten Änderung stiess er auf taube Ohren.

14. September 2015

Rektor Hengartner war erst wenige Monate im Amt, doch scheute er sich nicht, gleich eine umfassende Reform anzupacken. Es machte den Anschein, als wolle er dem angeschlagenen Image der Universität mit einem Modernisierungsplan entgegenwirken. Die sieben Fakultäten, die Studierenden, der Mittelbau und die Privatdozierenden hatten bis Ende Januar 2015 Zeit, sich im Rahmen eines Vernehmlassungsverfahrens zu seinen Plänen zu äussern – im April lag eine erste revidierte Version vor. Da diese noch immer auf Kritik stiess, wurde eine weitere Runde durchgeführt, in der alle Beteiligten Änderungsanträge stellen konnten.

Zurzeit befindet sich die Reform in der zweiten Lesung – es gehe hierbei jedoch nur noch um das «Fine-Tuning». «Die schwierigen Fragen der ersten Lesung konnten geklärt werden», sagt der Rektor. Läuft alles nach Plan, so werden Mitte 2016 die rechtlichen Grundlagen für die Reform im Universitätsgesetz verankert sein. Obschon Hengartner mit zahlreichen Ideen auf Resonanz gestossen ist, wurde das Kernstück der Reform abgelehnt. Die ZS konfrontiert Hengartner mit der Kritik an seiner Reform.

1. Neue Struktur der Unileitung (UL)

Die Reform sah vor, dass alle sieben Dekaninnen und Dekane von der Erweiterten Universitätsleitung (EUL) in die UL aufsteigen – mit dem Ziel, die Zusammenarbeit unter den Fakultäten zu stärken. Rasch wurde Kritik laut, die EUL verkomme so zu einem Scheingremium. Nun ist klar, dass Hengartner mit dieser Idee aufgelaufen ist. So zeigte sich Andreas Jucker, Dekan der Philosophischen Fakultät, besorgt über die Arbeitsbelastung der Dekaninnen und Dekane und konstatierte, dass es schwierig sein würde, Personen für den Job zu finden.

Herr Hengartner, sind Sie enttäuscht, dass die Dekaninnen und Dekane nicht in die UL kommen?

Nein, ich gehe lieber 80 Prozent der Strecke mit allen als 100 Prozent alleine.

Sie wollten mit der Neugestaltung der UL die Uni lenkbarer machen. Ist dieser Plan nun gescheitert?

Es ist noch immer meine Überzeugung, dass die Fakultäten stärker zusammenarbeiten müssen. Daher versuchen wir nun, kleinere Schritte in die ursprünglich angestrebte Richtung zu gehen: Wir laden monatlich alle Dekaninnen und Dekane zur sogenannten Strategie-Sitzung ein.

Für Aussenstehende schien es, als wäre dies der Kern der Reform gewesen. Was bleibt jetzt noch von ihr übrig?

Alles Andere. Hinter der Reform steckt kein einheitlicher Masterplan, wie Sie suggerieren. Wir haben damit einfach Dinge in Angriff genommen, die sowieso angestanden sind.

2. Direktorium Medizin

Zurzeit sind drei Prorektorate in der Universitätsleitung vertreten. Neu soll ein Direktor oder eine Direktorin Medizin dazukommen. Die Schaffung dieses Postens wurde im Vernehmlassungsverfahren gutgeheissen und ist bereits im Universitätsgesetz verankert. Die Details (beispielsweise, wie das Nominierungsverfahren geregelt wird) müssen nun jedoch noch diskutiert werden.

Das Direktorium Medizin kommt. Ist die Medizin dann nicht übervertreten?

Das könnte man durchaus so sehen. Aber es gab ja den Vorschlag, alle Dekaninnen und Dekane in die Universitätsleitung aufzunehmen – was keine Mehrheit fand.

Direktorium und Dekanat Medizin wären in einer Person vereint. Ist dies nicht eine Überbelastung?

Sie haben Recht, dass eine Person nicht beide Funktionen voll übernehmen kann. Sie wird also gewisse Dossiers delegieren müssen. Aber die Arbeit ist nicht komplizierter als die des Rektors. Mit diesem Argument könnte man meinen Job nicht machen, und der ist noch ein Pipifax, verglichen mit der Arbeit eines Bundesrates oder gar eines Barack Obama.

3. Neudefinition der Stände

Bisher sind drei Stände mit je zwei Stimmberechtigten in der EUL vertreten: die Studierenden, der Mittelbau und die Privatdozierenden. Hengartners Reform sieht vor, dass neu die Studierenden, der wissenschaftliche Nachwuchs, die wissenschaftlichen Mitarbeitenden und das administrativ-technische Personal die Stände bilden. Als offizieller Stand wird der Mittelbau also abgeschafft und durch die beiden Kategorien wissenschaftlicher Nachwuchs und wissenschaftliche Mitarbeitende ersetzt. Die Privatdozierenden (PD) wird es als Stand in Zukunft auch nicht mehr geben.

Warum wird der Mittelbau in zwei Teile getrennt, während die Studierenden weiterhin nur einen Stand haben? Wir werden dadurch entmachtet.

Der Mittelbau wird nicht in zwei Teile geteilt, denn das ist er heute schon: in Mittelbau und Privatdozierende. Neu wird die Verteilung einfach sauberer geregelt sein. Wer unbefristet bei uns angestellt ist (Mitarbeitende), hat andere Anliegen als Doktorierende, die uns nach der Dissertation wieder verlassen (Nachwuchs). Man könnte höchstens sagen, dass die Studierenden weniger Macht haben, weil sie nun einer von vier statt von drei Ständen sind, weil das administrativ-technische Personal neu auch einen Stand bildet.

4. Neue Regelungen für die Habilitation

Hand in Hand mit der Neugestaltung der Stände geht die Neuregelung der Habilitation. Bisher war die Habilitation an der Universität Zürich mit einer Lehrverpflichtung verknüpft – wer seinen Titel als PD behalten wollte, musste Kurse anbieten. Fortan soll dieser Titel auf Lebzeiten vergeben werden; das Recht auf Lehre, aber auch auf Entschädigung entfällt. Wer auf freiwilliger Basis unterrichten möchte, hat weiterhin die Erlaubnis dazu. Verschiedene Parteien äusserten sich kritisch zu diesem Vorschlag, jedoch führte dies nicht zu einem Umdenken; die Änderung wird implementiert. So schrieb die Vereinigung der Privatdozierenden, es gebe «begründete Befürchtungen», dass mit dem Vorschlag «ein Verlust der Lehrqualität einhergehen könnte».

Geht mit der Änderung nicht eine gewisse Lehrdiversität verloren?

Ich glaube nicht. Aber ich muss erklären, warum wir den Stand der Privatdozierenden neu definieren mussten. Es war eine Reaktion auf einen Bundesgerichtsentscheid, der feststellte, dass Lehraufträge Kettenverträge und daher illegal sind. Nun werden sie als Lehranstellungen deklariert. Wir werden gleich viel Geld wie vorher in diese Anstellungen investieren, um die Lehrdiversität zu gewährleisten.

Aber es gibt keine Garantie, dass die bisherigen PDs nun eine Anstellung bekommen?

Gab es früher auch nicht. Was wegfällt, ist nur die Pflicht, quasi gratis zu lehren. Wir hoffen, dass viele weiterhin lehren – denn die Motivation war bisher klar intrinsisch.

Warum wird der PD-Titel neu lebenslänglich vergeben?

Ich nehme Ihnen auch nicht den Master-Titel weg, nur weil Sie nicht in der Forschung bleiben. Eine Habilitation an der Universität Zürich ist eine Bestätigung für eine Qualifikation, die nicht an eine Lehrverpflichtung gebunden sein soll. Zudem kann es nicht sein, dass wir jeder Person, die an der UZH habilitiert wird, ein Recht auf Anstellung geben. Die Institute überlegen es sich so dreimal, wen sie eine Habilitation schreiben lassen.

5. Neuregelung Titularprofessur

Hengartners Reform sah vor, dass auch externen Personen der Titel des Titularprofessors oder der Titularprofessorin vergeben werden kann. Also beispielsweise einem Spezialisten, der hauptamtlich nicht an der Universität tätig ist. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt – nun wird nach einem neuen Titel für diese Personen gesucht. Die Vereinigung der Privatdozierenden brachte die an der Idee geäusserte Kritik auf den Punkt: «Um den Verdacht von ‹Gefälligkeitsprofessuren› zu vermeiden, muss die Vergabepraxis transparent und nach akademischen Kriterien erfolgen.»

Warum wollen Sie Personen, die sich nicht habilitiert haben, diesen Titel geben?

Weil die Habilitation in verschiedenen Disziplinen und Ländern nicht mehr das Standardverfahren ist. Wenn wir den Titel selbst vergeben können, sind wir kompetitiver und können die besten Leute an die Uni binden.

Zuletzt noch zu einem weiteren Punkt, der für Irritationen gesorgt hat. Die Reform sah vor, dass abtretende Rektorinnen und Rektoren (vor dem Pensionsalter) eine ad-personam-Professur erhalten.

Das haben wir inzwischen herausgenommen. Aber es ging darum: Was macht eine Rektorin, wenn sie vor dem Pensionsalter das Amt weitergibt? Wenn ich einen guten Job mache, wird die UZH mir wohl nach meiner Amtszeit etwas anbieten – wie dies bisher gehandhabt wurde. Und falls ich drei Millionen hinterziehe, dann sollten wir uns so oder so besser trennen. Also lieber keine Regelung als eine, die Rektoren für einen Gau belohnen würde.

Haben Sie denn drei Millionen aus universitären Forschungsmitteln veruntreut?

(lacht) Nein, Gott bewahre!