Saufen, Prügeln, Hängen

Endlich ein Film, der kurz nach der Wende spielt, ohne sie zu thematisieren. Endlich keine fallenden Mauern, hupenden Trabis und verdutzten DDR-Grenzbeamte. Sondern nur Leere und Perspektivlosigkeit – der grosse Kater nach der Wende. All dies verspricht der Film «Als wir träumten». Er enttäuscht trotzdem.

2. Mai 2015

Wir befinden uns in Leipzig in der frühen Nachwendezeit: Dani, Rico, Mark und Paul ziehen durch triste Strassen. Sie saufen, prügeln sich mit Neonazis und schlagen Autos zu Brei. In dieser Stadt ist es meistens dunkel. Die Kameras zielen direkt auf die Gesichter und es wird so portraithaft gefilmt, dass vom Hintergrund nichts mehr übrig bleibt. Wir schauen nur in leere, verzogene, blutende Gesichter oder in von Weinkrämpfen zur Grimasse verzerrte Fratzen. Tristesse pur, denn diesen vier Jungs gelingt nichts. Sie sind Schulabbrecher, hängen in Kellern herum und träumen von einem eigenen Klub. Und als sie ihn eröffnen, natürlich in einer heruntergekommenen Fabrikhalle, kommen wieder die Neonazis und hauen alles kurz und klein.

Der Film liefert zahlreiche Erzählstränge. Doch die meisten verlaufen ins Nichts. Geschichten und Anekdoten werden angerissen, nur um sie gleich darauf wie ein ungeliebtes Spielzeug fallen zu lassen und man fragt sich: Was soll das alles? Die Antwort ist einfach: «Als wir träumten» ist eine Literaturverfilmung des gleichnamigen Romans von Clemens Meyer aus dem Jahr 2006. Die Vermutung liegt nahe, dass aus dem Buch wie bei einer Best-of-Sammlung die knackigsten Szenen herausgepickt wurden, ohne dabei auf den Erzählfluss zu achten. Das ist schade. Dem Film fehlt es dadurch an emotionaler und erzählerischer Tiefe.

Eine Perle bleibt aber: Der Titelsong «A New Error» von Moderat ist eine Wucht. Man bekommt gleich Lust, tanzen zu gehen – am liebsten in einer alten Fabrikhalle in Leipzig.

«Als wir träumten» (2015) läuft derzeit im Zürcher Kino «Riff Raff».