Editorial #6/14

Editorial

28. November 2014

Nutzen — Müssen wir Studierenden der Literatur, der Philosophie oder der Geschichte der Welt etwas bringen? Um diese Frage dreht sich diese Ausgabe. Liest man aktuelle Zeitungsberichte, so fällt auf, dass die Medien eine klare Vorstellung davon haben, was Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Welt (entgegen-)bringen sollen: politisches Interesse und Engagement. Der «Spiegel» publizierte kürzlich eine Studie des deutschen Bildungsministeriums. Eine Umfrage hatte ergeben, dass nur ein Drittel aller Studie­renden «ein starkes Interesse an aktuellen Ereignissen» habe. Dieser Befund sei «bedauerlich».

Natürlich wäre es schön, wenn sich die Studierenden von heute im Seminar darüber streiten würden, ob nun die Theorien von Marx oder jene von Friedman überzeugender sind. Natürlich wäre es schön, würde mehr gelesen und weniger gewhatsappt, mehr reflektiert statt inszeniert, mehr über Arbeit nachgedacht als gearbeitet. Aber früher war nicht alles besser, nur weil im Licht­hof Lenin-Fahnen gehisst wurden.

Die Zielstrebigkeit der Jungen hat nicht nur zur Folge, dass die Career Centers an den Universitäten auf Wochen ausgebucht sind. Politisch aktiv zu sein ist heute ein Vollzeitjob, kein diffuses Gefühl mehr. Bestimmt ist unsere Generation im Schnitt weniger engagiert; dafür kompensieren die Engagierten die Entpolitisierung der Anderen – dies zeigen solche Umfragen nicht. Daher: Was für Studierende produziert die Uni von heute? Wahrscheinlich zweierlei: radikale Selbstoptimierer und radikale Weltoptimierer.

Nina Kunz, Redaktionsleiterin