Theisohns Sci-Fi-Tipp: Ludek Pešek - Die Erde ist nah

Theisohns Sci-Fi-Tipp

28. November 2014

Ludek Pešek: Die Erde ist nah (1970) – Geht es nach den Produktionsplänen des niederländischen Privatfernsehens, dann wird 2015 wohl ein Marsjahr werden; immerhin soll die grosse Marskolonisierungsshow «Mars One» im kommenden Herbst ihr Trainingscamp beziehen. Natürlich wäre es deshalb geboten, Kim Stanley Robinsons Mars-Trilogie zu lesen, die dem Unternehmen wider Willen als Blaupause gedient hat. Doch vielleicht zum Einstieg lieber etwas Schmaleres und gleichwohl Eindrückliches: «Die Erde ist nah», die 1970 erschienene Erzählung des tschechischen Space-Art-Pioniers Ludek Pešek. Ein desaströser Text. Wir gelangen auf den Mars entweder mit der Vorstellung, dass es da Spuren von Leben gibt (die man eben suchen muss), oder im Glauben daran, dass der Mensch diesen Planeten erst «kultivieren» wird. Wir besitzen Karten und Namen für bestimmte Gegenden, die uns den Mars irgendwie zu einer Art «Outback» stilisieren sollen. Den Schock aber, den wir erfahren, wenn wir uns wirklich auf einem toten Planeten befinden, den können wir noch gar nicht beschreiben. Pešek inszeniert den Mars als die schleichende Zersetzung menschlicher Gesellschaftsträume im roten Sandsturm. Erst schwindet uns die Sicht, dann vergeht uns das Hören. Die mitgebrachte Technik lässt die Marskolonisten im Stich und allein mit einer Ohnmachtserfahrung – und «nicht einem Gramm Hoffnung auf Ent­kommen». Als das Buch erschien, hatten die Voyager-Sonden den Mars gerade entzaubert. Ein gutes Jahr, um es wieder hervorzuholen.

Ludek Pešek: Die Erde ist nah (1970)

Prof. Dr. Philipp Theisohn forscht am Deutschen Seminar zu extraterrestrischer Literatur.