Die Lange Nacht der Karriere lockte viele Besucher in den Lichthof. facebook.com/LNdKarriere

Die kurze Nacht der Karriere

Lange Nächte gibt es ja mittlerweile für so einiges. Zum Beispiel für Museen, Hotel-Bars, Luxus-Logen und ungeschriebene Hausarbeiten. Neustes Mitglied in diesem illustren Verein ist die «Lange Nacht der Karriere» an der Uni Zürich. Entspannt über Karriereaussichten plaudern – funktioniert das? Die ZS hat’s ausprobiert!

16. November 2014

Kaum hatte der Gong die letzte Stunde des akademischen Tages ausgeläutet, strömten massenweise Leute in den Lichthof der Uni Zürich, an die «Lange Nacht der Karriere» (LNdK). Vom Gymischüler bis zur Master-Absolventin war alles dabei. Je nach Engagement, stellte man sich entweder in die Schlange für ein professionelles Fotoshooting oder zur Gratisvergabe von Stofftaschen und Schokolade ein. Die ersten Vorträge, Talks und How-To-Präsentationen durften sich bereits um 18:30 eines grossen Publikums erfreuen. Über dem Geschehen schwebte eine Ballon-Drohne, die wie ein riesiges Auge angehende Karrieren erspähte.

Gute Frauenquoten

In der Haupthalle waren unter anderen die Crédit Suisse mit einer Fussballwand und Übungs-Bewerbungsgesprächen, Schild mit vier ausgestellten Business-Outfits sowie Ernst & Young mit kulinarischem Angebot vertreten. Regen Zulauf verzeichneten die Beratungs-Gespräche und Mini-Coachings der Career Services. Sie waren schon Tage zuvor restlos ausgebucht.

Das Programm war ausgesprochen gelungen zusammengestellt. Obwohl Jus- und Wirtschaftsstudierende selbstverständlich am meisten Angebote nutzen konnten, gaben sich die Organisatoren Mühe, den Mythos der Berufschancen für Geistes- und Sozialwissenschaftler aufrechtzuerhalten. Zudem legten sie ein besonderes Augenmerk legten sie auch darauf, dass Frauen unter den Vortragenden stets gut vertreten waren. Mehr als die Hälfte der Vortragenden waren erfolgreiche Frauen, die nicht selten erklärten, wie sie Berufsalltag und Familienleben unter einen Hut bringen.

Von der Uni zum Poly

Nachdem der Beginn des PwC-Workshops, «Energy to Grow Your Own Way», mehr als eine Viertelstunde auf sich warten liess, machten wir uns von der Uni auf in Richtung ETH. Denn: So lang ist sie gar nicht, diese lange Nacht. Schon sass uns die Zeit im Nacken. Beim «Millionaire Game» der Crédit Suisse gewinnen, an der NZZ-Campus-Bar Kontakte für unsere journalistische Zukunft knüpfen, die Apéro-Buffets der Boston Consulting Group abräumen: Unser Masterplan drohte zu scheitern.

Zudem fiel uns auf, an den beiden Hochschulen identisch aussehende, aber jeweils nur die LNdK der eigenen Hochschule betreffende Programmhefte verteilt wurden. So wussten die Besucherinnen und Besucher der Uni Zürich nicht, dass derselbe Anlass auch an der ETH stattfand, und umgekehrt. Schade, dachten wir. Denn beide Hochschulen boten durchaus interessante Angebote für Studierende aller Art.

Nur an der ETH winken Jobs

Der Hunger trieb uns zunächst an die Stände der Unternehmensberater. Nachdem wir ein paar Sushi vertilgt hatten, erklärte uns eine freundliche Firmenvertreterin, dass man sich an der LNdK nicht direkt bewerben könne. Sie gebe uns aber schon mal ihre Business Card weiter, wenn ihr ein Gespräch besonders gefallen habe. So könne man sich etwa auf einen Kaffee bei ihr melden, um gute Tipps zu erhalten. Wir wollten aber keinen Job, klauten noch kurz zwei Samosas und zogen weiter.

Grundsätzlich trafen wir an beiden Hochschulen auf aufgeschlossene, inspirierende Personen. Es war einfach, mit allen ins Gespräch zu kommen, auch wenn man sich bei besonders beliebten Referierenden ein wenig nach vorn kämpfen musste. Unterm Strich hatten wir allerdings den Eindruck, dass man an der Uni eher generelle Informationen für grobe Weichenstellungen in der eigenen Karriere bekam, während an der ETH bereits konkrete Jobs winkten, sollte man sich denn genug um das Visitenkärtchen bemüht haben oder sich übernächste Woche bewerben. So erklärt sich zumindest, wieso die beiden Veranstaltungen mehr oder weniger getrennt voneinander stattfanden; das Publikum sowie die Repräsentanten schienen nicht genau die gleichen Ziele zu haben.

Kondome für die Karriere?

Natürlich konnten nicht alle Firmen durch ihre sympathischen Mitarbeitenden oder ihr interessantes Betätigungsfeld überzeugen. So bekamen wir dafür schon einmal einen Eindruck davon, für welche Firmen wir später sicher nicht arbeiten möchten. Als wir uns in der Hoffnung auf regen intellektuellen Austausch an die NZZ-Campus Bar begaben, wurden wir enttäuscht. Kein Journalist weit und breit. Als Entschädigung reichte uns der Bartender zwei Kondome in NZZ-Campus Verpackung. Das Karrieremodell, das sich hinter diesem Geschenk verbarg, nicht ganz verstehend, zogen wir zum Cooldown ins bQm.