Umstrittener Auftritt: Fifa-Chef Blatter hält eine Rede an der ETH Zürich. Nina Fritz

Blatters ausgebuffte Plaudereien

Rauchpetarden, Transparente und lauter Protest: So haben Aktivistinnen und Aktivisten am Dienstag den FIFA-Chef Blatter an der ETH Zürich empfangen. Der Grund für den Zorn der Protestierenden offenbarte sich in der Belanglosigkeit seiner Rede.

6. November 2014

Das 75jährige Jubiläum des ASVZ und die damit verbundene Vortragsreihe brachte am Dienstag Abend Sepp Blatter als Referenten an die ETH. Der Vortrag des amtierenden FIFA-Chefs trug die Thematik «Fussball als Lebensschule». Dass Blatter nicht nur auf freudige Gemüter treffen würde, war klar – vor allem nach der Weltmeisterschaft dieses Jahr in Brasilien und anhaltenden Korrputionsvorwürfen gegenüber der FIFA.

Kurz vor seinem Vortrag versammeln sich um die 100 Demonstrierende mit Transparenten vor dem Hauptgebäude der ETH. Freunde Blatters suchen wir hier vergebens. Die meisten finden es «unglaublich» oder «wahnsinnig unpassend», dass der ASVZ gerade Blatter eingeladen hat. Andere, die sich vor der ETH sammeln, besuchen den Vortrag und wollen sich aus kritischer Perspektive anhören, was Blatter zu sagen hat.

Eine Polizeipatrouille von rund 20 Mann weilt bereits eine halbe Stunde vor dem Vortrag vor den Toren der ETH. Der Protest sei schon frühzeitig kommuniziert worden und das Aufgebot der Polizei stets eine Vorsichtsmassnahme, sagt ein Polizist. Den Protestierenden gelingt es schlussendlich trotzdem, durch einen Seiteneingang in das Hauptgebäude zu gelangen und mit einer Rauchpetarde ihren Protest auszudrücken. Das Auditorium Maximum wird jedoch gut gesichert und verriegelt – in die Nähe des Referenten gelangen die «Störenfriede» nicht.

Blatters «Plaudereien»

Zutritt zum Vortrag erhalten nur Gäste mit Namensschildchen. Vor dem Audimax sind Securities postiert, die die Gäste ein wenig gelangweilt anweisen, grosse Taschen im Gang zu deponieren. Im Auditorium riecht es nach Sportdeo, das Publikum ist erstaunlich jung und überwiegend männlich. Blatter betritt die Bühne mit einer kleinen Entourage von FIFA-Mitarbeitern. Acht oder zehn Mann (männlich, Sakko, Krawatte) spazieren über die Bühne des F30 und nehmen auf reservierten Sitzen vorne wie ein würdiger Hofstaat Platz.

Lorenz Ursprung, Direktor des ASVZ, eröffnet die Veranstaltung mit einem etwa zehnminütigen Werbeblock. Das wichtigste Anliegen des ASVZ sei es, wie die FIFA den Breitensport zu mobilisieren.

Blatter eröffnet seine Rede damit, wie geehrt er sich fühle, im Audimax der ETH, diesem Hort der Geisteswissenschaften, zu sprechen. Überkritisch ist, wer ihm diese kleine Ungenauigkeit übelnimmt. Doch während seiner Rede reiht Blatter Anekdote an Anekdote. Eine Lebensweisheit jagt die andere, ohne dass ein substanzieller Kern zurückzubleiben scheint. Es geht um das Goms, das Böse im Fussball, die Verdienste der FIFA bei der Kindergesundheit in Entwicklungsländern, zwischendurch um das Goms, den von der FIFA finanzierten ETH-Lehrstuhl für Knorpel-Engineering, dann wieder um das Goms und schliesslich um den Beitrag des Fussballs zum Weltfrieden. Fussball als Lebensschule? Die Grundthese ist, dass ein Export der Fussballwerte Disziplin, Fair Play und Kampfgeist zu einer besseren Welt führen. So weit, so gut.

Blatters Geheimwaffe

Doch Blatter wirkt zeitweise verstreut. «Dieser Palästinenserpräsident, wie heisst er...» – «Abbas!», ergänzt jemand aus den Reihen des «Hofstaats». An anderer Stelle fragt Blatter: «Wo war ich jetzt gewesen...». Einen roten Faden bieten einzig die Attacken auf die Schweizer Presse, die mit ihrer aus Blatters Sicht unsinnig negativen Berichterstattung ihm und der FIFA ständig «den schwarzen Peter» zuschieben würden. Ihm sei das ja egal – Neid sei die aufrichtigste Form der Anerkennung. Er schliesst seinen Vortrag mit einigen Lebensweisheiten fürs Poesiealbum ab.

Kritische Fragen gibt es nur wenige – Blatter scheint mit seiner Darstellung der FIFA als Rufmord-Opfer vielen den Wind aus den Segeln genommen zu haben. Die Katar-Frage weiss er gekonnt zu umschiffen. Die Frage, was denn eine berechtigte Kritik an der FIFA wäre, die ein Grüppchen kritischer Studierender stellt, bleibt unbeantwortet. Bei der Frage, warum er wiederum als FIFA-Präsident kandidiere, bricht dann doch etwas durch, das vielleicht Blatters Geheimwaffe ist: eine allem Anschein nach authentische Begeisterung für seine «Mission». Diesem Moment können sich wohl auch eingefleischte FIFA-Hasser schwer entziehen.

Man mag die FIFA hassen oder nicht – fest steht, dass Blatter trotz seiner etwas zusammenhanglosen Plaudereien ein ausgebuffter Rhetoriker ist. Diesem Talent ist es wohl zu verdanken, dass er trotz allen Korruptionsvorwürfen noch immer an der Spitze eines milliardeschweren Vereins steht und sich weder von Rauchpetarden, noch von mehr oder weniger höflichen Zwischenfragen aus dem Konzept bringen lässt.