Die Schönberggasse im Wandel der Zeit: 2014 und 1957. Benjamin Erdman, Baugeschichtliches Archiv Zürich

Verplantes Uniquartier

Uni und Politik planen Grosses. Weichen müssten geschichts­trächtige Gebäude.

25. Oktober 2014

Jetzt, wo die Blätter fallen, sieht man ihn wieder, den mächtigen Bau an der Schönberggasse 1–7, oberhalb der Tramhaltestelle Kantonsschule. Geht es nach den Hochschulplanern, soll das fast 170-jährige Haus in den nächsten Jahrzehnten einem neuen «Kronbau» weichen. Im Masterplan ist das bestehende Gebäude ein eher untergeordnetes Objekt. Schliesslich ist das Bauvorhaben hier auch nur ein Teil eines grossen Plans, der 40 Prozent mehr Fläche für Forschung und Lehre im Uniquartier schaffen will.

Bier: nur für kurze Zeit

Das Gebäude hat eine lange Geschichte. Als die Stadt Anfang des 19. Jahrhunderts beschloss, die alten Schanzen – die historischen Verteidigungswälle der Stadt – zu schleifen, wurde wertvoller Bauplatz in Zentrumsnähe frei. Weil sich hier auch die Kantonsschule (heutiges RWI) ansiedelte, erlaubte die Stadt auf dem «Schanzenberg» kein Gewerbe, das Lärm oder Gestank verursachte. Deshalb errichtete der Unternehmer Joseph Anton Kern 1847 hier eine Brauerei. Doch Bier wurde an dieser vom Ausblick verwöhnten Lage nur rund zehn Jahre lang produziert. Ab 1854 bestand das ganze dreiteilige Haus nur noch aus Wohnungen. Nach diversen Handwechseln kaufte 1912 schliesslich der Kanton das Gebäude auf. Bald darauf richtete er darin Schulräume für die wachsende Kantonsschule ein und über die Jahrzehnte entwickelte sich das Gebäude zu einem Schulhaus. 1986 nahm es die Denkmalpflege in ihr Inventar auf. Das bedeutet, dass sie bei einem Umbau oder Abriss klärt, ob das Gebäude schützenswert ist oder nicht.

Der akademischen Krone müsste auch das benachbarte Deutsche Seminar (DS) weichen. Dieses befindet sich nicht im Inventar der Denkmalpflege, was den Planern entgegenkommt. Errichtet wurde es als «Physiologie»-Gebäude. Auch dieses forderte bei seiner Erstellung ein Opfer. An seiner Stelle hatte seit dem Bau der Brauerei die Unternehmervilla des Erbauers gestanden. Doch in den Boomjahren der Uni nach dem Krieg lechzte die Forschung nach moderner Infrastruktur. Bis zum endgültigen Umzug der Naturwissenschaften an den Irchel, rund 20 Jahre später, standen unter anderem mehrere Stockwerke hohe Turbinen für physikalische Experimente im Gebäude − dort, wo heute die Bibliothek der Germanistik untergebracht ist.

Alt-neue Pläne

Betrachtet man nur den Schanzenberg, sind die heutigen Pläne nicht neu. Immer wieder wurden im vergangenen Jahrhundert Grossüberbauungen an der Schönberggasse angedacht. Bei manchen Entwürfen hätten auch das Bodmer-Haus, das heute das Thomas-Mann-Archiv beherbergt, oder das Haus Belmont, in dessen Erdgeschoss sich der Studentenladen befindet, abgerissen werden müssen. Immer wieder standen denkmalgeschützte Häuser den Planern im Weg.

Doch die Uni wächst konstant und die Stadt, der Kanton, die Hochschulen sowie das Universitätsspital scheinen willens, diesmal mit der grossen Kelle anzurühren. Um das Bodmer-Haus und das Belmont machen die Planer in den neuen Entwürfen einen Bogen. Nicht aber um die «nur» inventarisierte ehemalige Brauerei und das gar nicht geschützte Deutsche Seminar.

Will man im bebauten Zentrum etwas bewegen, ist das Dilemma vorprogrammiert. Was ist mehr wert: eine zukunftsträchtige Infrastruktur im Zentrum oder der nostalgische Blick zurück? Dem «Generationenprojekt» droht der Gegenwind konservativer Kräfte. Erst wenn ein konkretes Projekt vorliegt, wird sich zeigen, ob es auch die Bevölkerung überzeugt. ◊