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Wo alles eine Seele hat

Seit 40 Jahren bereist der Fotograf Sebastião Salgado die Welt, trifft dabei nicht nur auf Schönes. Der Film «The Salt of the Earth» dokumentiert sein Schaffen.

13. Oktober 2014

Eine afrikanische, in einem schweren Tuch eingehüllte Frau erscheint im Bild. Sie durchbohrt einen mit ihrem Blick, starrt den Zuschauern direkt in die Seele. Ihre Augen sind trüb, sie ist blind. Was erst bemerkt wird, sobald Sebastião Salgado, Fotograf und Mittelpunkt des Dokumentarfilms «The Salt of the Earth», es ausspricht.

Der im Jahre 1944 geborene Südamerikaner wird im Film von den zwei Regisseuren Wim Wenders und Salgados Sohn Juliano Ribeiro Salgado auf seinen fotografischen Reisen begleitet. Der Film zeigt nicht nur die gemeinsamen Reisen von Vater und Sohn. Er reicht noch weiter zurück in die Vergangenheit Sebastiãos. In die dunkelsten, ergreifendsten Geschehnisse der letzten 50 Jahre Menschheitsgeschichte.

Biographien statt Schnappschüsse

Salgado bereiste in 40 Jahren über hundert Länder, wobei er nicht nur schnappschussartig von Land zu Land wanderte. Er blieb, lebte, fühlte von Ort zu Ort mit den Menschen dort für mehr oder weniger lange Zeit mit. Seine Bildaufnahmen zeigen nicht nur einzelne Momente, einzelne Schnappschüsse. Sie zeigen die Lebensgeschichte der Menschen, ihre Seelen, ihren tiefsten Schmerz. Augenblickliche Aufnahmen werden zu jahrelangen Biografien. Mit all der Trauer und dem Leid sowie auch Glück und Zufriedenheit des erlebten Lebens. Nicht nur der Fotograf, sondern auch sein Sohn haben die Gabe, die Distanz, die zwischen Film und Fotografie und den Betrachtern fast vollkommen aufzulösen. Die Aufnahmen geben das Gefühl, mitten drin zu sein, das dort erfasste Moment wirklich nachempfinden zu können.

Der Film zeigt jedoch nicht einfach nur aufeinanderfolgende Bilder, wie es alte Diaprojektoren zu tun pflegten. «Das Salz der Erde» erzählt die Geschichte des weltberühmten Fotografen, Weltverbesserers und aufklärenden Sebastião Salgado. Er befand sich während 40 Jahren in Extremsituationen, erlebte schreckliche, gewalttätige und auch lebensbedrohliche Momente wie die Hunger- und Durstperiode in Afrika. Trotzdem blieb Sebastião an solchen Orten, wie die riesigen Flüchtlingslager und -karawanen unter anderem in Ruanda, Sudan und Afghanistan. Seine Bilder zeigen nicht nur Schönes, sondern auch Verfall und Tod. Die Ästhetik verliert sich jedoch nie darin. Der Betrachter spürt die Empathie, die Nähe zwischen Fotograf und dem Menschen vor der Linse.

Die Hoffnung ist nicht verloren

Juliano Salgado konnte diese Nähe zwischen dem Fotografen und den Menschen, die sie zusammen besuchten, miterleben. Zwischen Papuas und Indianern lernten sich Vater und Sohn auf eine neue Art kennen. Letzterer sagt über seinen Vater, dass er sich auf gleicher Stufe wie die Menschen stellt, sie nicht verurteilt, sich vollkommen an diese anpasst. Durch diese Beziehung entstehen Kunstwerke, die unsere oft ignorante sowie privilegierte Gesellschaft nähren.

Obwohl die Salgado Familie nicht gläubig ist, fällt eine Verbindung zur Bibel auf. Nicht nur das Projekt Exodus und Genesis, erinnern an die ersten Kapitel der Bibel. Sogar der Titel stammt daraus. In Mt 4,15 steht, dass das Salz der Erde der Mensch selbst ist, es jedoch an ihm liegt, wie viel Wert es der Erde und sich selbst gibt. Durch das Handeln des Menschen, das in unserer Geschichte unzählige Male gewalttätig und brutal war, wurden andere Menschen malträtiert, litten und starben. Die Fotografieprojekte Salgados, sowie auch der Dokumentarfilm «The Salt of the Earth» sollen den Rest der Menschheit darauf aufmerksam machen, dass die Hoffnung nicht verloren ist. Nur schon wenn Aufklärung und Wille zur Hilfe vorhanden ist.

Doch so viel Leid zu sehen, ist nicht einfach zu ertragen. Sebastião sagt im Film auch, dass er irgendwann die Hoffnung und den Glauben an das Gute verloren habe. Erst durch sein letztes Projekt «Genesis», durch welches er an noch unberührte Orte der Welt gelangte, Menschen mit uralten Traditionen traf und Tiere aus nächster Nähe beobachten konnte, erlangte er wieder Hoffnung. Seine Werke aus «Genesis» reissen einen in eine uralte Welt mit, wo alles eine Seele hat, die singt, lebt und liebt.

----Informationen zu den Personen----

Juliano Ribeiro Salgado, geboren 1974, lebt an unterschiedlichen Orten, wie Berlin und Brasilien. In Berlin lernte er währen der Schnittarbeit mit Wenders seine Liebe fürs Leben kennen. Sie ist selbst Brasilianerin und macht Filme. Seine nächsten Filme spielen in in Sao Paolo und in den Amazonas. In beiden kommt die Ambivalenz zum Vorschein, wie der Mensch eigentlich sein möchte und was er schlussendlich tut.

Wim Wenders, geboren 1945, ist nicht nur Regisseur, sondern auch Fotograf und Professor. Zurzeit unterrichtet er Film an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und arbeitet an seinem neuen 3D-Spielfilm «Everything will be fine» unter anderem mit James Franco, Charlotte Gainsbourg und Rachel McAdams.

Sebastiao Salgado, geboren 1944, lebt mit seiner Frau Léila in Paris. Nur mit ihrer Unterstützung waren alle Projekte und Veröffentlichungen überhaupt erst möglich. Zusammen haben sie auch das Institutio Terra erschaffen, das jetzt ein Nationalpark in der ehemaligen Ranch der Salgado-Familie ist. Knappe drei Millionen Bäume wurden dort schon gepflanzt.