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Leben mit dem Wasser

Der Dokumentarfilm «Walking under Water» über einen indonesischen Stamm, dessen Leben sich ums Wasser dreht, schlägt von der ersten bis zur letzten Spielminute leise Töne an. Der alte Konflikt zwischen Modernität und Tradition, dem sich viele indigene Völker gegenübersehen, wird dezent dargestellt, steht bei näherer Betrachtung aber im Zentrum.

3. Oktober 2014

Auf Borneo lebt der Stamm der Badojans an und mit dem Wasser. Bevor sie sich aufmachen und das Harpunefischen mit einer der gefährlichsten Taucharten – dem Kompressortauchen – betreiben, beten sie zu den Göttern des Meeres. Dieses Volk stellt Regisseurin Eliza Kubarska in ihrem Dokumentarfilm anhand der beiden Protagonisten Alexan und Sari vor. Sari ist Alexans Neffe, und der Onkel soll ihn dem Meer näherbringen und erzählt bei dieser Gelegenheit Mythen und Geschichten. Gleichzeitig muss er für sich und seine Familie sorgen. Das ist gar nicht so einfach, wenn der Motor des winzigen Bootes abliegt und die Taschenlampe beim Nachttauchgang nicht funktioniert.

Kompressortauchen oder Flaschentragen im Resort?

Der junge Sari ist hin und hergerissen zwischen den Werten seines Stammes und der Modernisierung. Das Thema ist nicht neu, wird aber gut vermittelt. Der innerlich ausgetragene Konflikt wird dem Zuschauer nicht aufgedrängt. Wir hören nie einen gestellten inneren Monolog von Sari. Er äussert sich auch im Gespräch mit anderen nicht dazu, ob er die Traditionen des Lebens mit dem Meer weiterführen und Harpunenfischer werden will, oder doch lieber auf eine sichere Existenz durch die Mitarbeit im Resort setzt. Stattdessen sehen wir, wie er gedankenverloren vor einem Stand mit Autos steht und dann entschlossen weitergeht, um Benzin zu kaufen. Oder wie er sich heimlich ins Resort schleicht, um zu arbeiten. «Walking under Water» ist damit auch die Geschichte eines Kindes, das extrem früh erwachsen wird.

Die Stille und die Natur sind im Film omnipräsent, was wohl die einzige Art und Weise ist, ein Volk darzustellen, das mit den Gezeiten lebt und so viel Zeit wie möglich unter Wasser verbringt. Minutenlang sehen wir nur das kleine Boot von Alexan übers Wasser gleiten. Das mag zu Beginn seinen Reiz haben, wenn Fernweh aufkommt. Dann aber wandert der Blick immer öfter in Richtung Handgelenk, obwohl die Uhr im Dunkel des Kinosaals kaum zu erkennen ist. 77 Minuten sind nicht lang, auch für einen Dokumentarfilm nicht. Trotzdem zieht sich der Film scheinbar endlos hin. Die Bilder, die Alexan beim Tauchen zeigen sind nicht besonders eindrücklich – was man bei Unterwasseraufnahmen heute beinah voraussetzt. Mehr im Gedächtnis haften bleibt das Bild, bei dem Eliza Kubarska Onkel und Neffe im Gegenlicht zeigt, wie sie mit ihrem Boot übers Wasser gleiten.

Tagelang auf dem Wasser

Die Tage auf dem Wasser und die Gespräche von Alexan und Sari haben privaten Charakter und das Kamerateam scheint sich beim Filmen im Hintergrund gehalten zu haben – oder die beiden Badojans sind Naturtalente. Sie wirken natürlich vor der Kamera, auch wenn beide verschlossene Charaktere zu sein scheinen. Der ganze Film ist indonesisch, am Zurich Film Festival sieht man ihn mit englischen und deutschen Untertiteln. Das Kino Arena ist mit seiner erstklassigen Soundanlage und der riesigen Leinwand ein optimaler Ort, um die Produktion zu zeigen. Denn die Bilder und die leisen Geräusche des Meeres kommen dadurch gut zur Geltung – auch wenn der Independentfilm nicht ganz in die Atmosphäre des Multiplexkinos passt.

Wer als Zuschauer Unterhaltung und Action erwartet, oder von einem Film eine eindeutige Botschaft mitnehmen will, ist in diesem Kinosaal an der falschen Adresse. Mag man stille Töne und Aufnahmen, die für sich sprechen aber auch eine gewisse Monotonie aufweisen, ist man bei Eliza Kubarskas «Walking under Water» im richtigen Saal.