ZFF

Sogar beim Selbstmord scheitern

Rezension des Films «The Skeleton Twins» aus der Kategorie «Internationaler Spielfilm» des Zurich Film Festival.

30. September 2014

Die Zwilline Maggie und Milo versuchen am gleichen Abend, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Maggie will dabei ihrer sehr durchschnittlichen Existenz als Zahnarztassistentin und unglücklicher Ehefrau ein Ende setzen, Milo kann seine gescheiterte Karriere als Schauspieler und die Tatsache, dass er nie über seine Jugendliebe hinweggekommen ist, nicht ertragen. Das Auftaktmotiv des Selbstmordes zieht sich in Craig Johnson’s «The Skeleton Twins» durch den ganzen Film und rundet ihn entsprechend auch wieder ab. Was extrem düster klingt, wird mit Galgenhumor belegt und so verdient der Film die Genrebezeichnung Tragikomödie durchaus. Regisseur Johnson arbeitet viel mit Nahaufnahmen. So zeigt er abwechslungsweise die Badewanne, in der Milo sitzt und die sich unvermittelt mit Blut füllt mit Maggies Hand voller Pillen. Durch den Kontrast mit Bildern aus der glücklichen Kindheit der Zwillinge wird der Zuschauer in den Film hineingezogen. Das verklärte Gestern dem überzeichneten Heute gegenüberzustellen funktioniert erstaunlich gut.

Mittelmässigkeit des Alltags

Zum Denken regen vor allem die beiden Hauptfiguren an. Maggies scheinbar perfekte Ehe, der sie nicht glücklich macht und Milos auf der ganzen Linie gescheiterte Existenz sind die vordergründigen Hauptthemen des Streifens. Tiefsinniger ist die Frage, wie wir mit unserem Leben klarkommen sollen. Maggie sagt dazu, das Leben sei doch eigentlich nur der konstante Versuch, mit der Mittelmässigkeit des Alltags klarzukommen. Gelegentlich wird der Pessimismus des Films von etwas lebensfreudigeren Bildern abgelöst. Zum Beispiel, als Milo seine Schwester mit seiner Tanz- und Playback Performance im Wohnzimmer zum Lachen bringt. Der Anfang der Szene ist wunderbar. Maggie sitzt auf dem Sofa, einfach nur genervt vom Leben und der Show, die ihr Bruder abzieht, während er wild gestikulierend durchs Wohnzimmer hüpft. Als Maggie jedoch ins Gesinge und Getanze einstiegt, droht die Szene in typischen Hollywoodkitsch abzurutschen, was Johnsons Film nicht nötig hätte.

Gnadenlos ehrlich

«The Skeleton Twins» ist Johsons Zweitling. Welche Bedeutung – neben der ständigen Nähe zum Tod – dem Motiv des Skeletts zukommt, wird nicht wirklich deutlich. Kristen Wiig als Maggie spielt ihre Rolle wie viele andere zuvor, Bill Hader überzeugt hingegen als verzweifelter homosexueller Bruder. Gnadenlos ehrlich, aber trotzdem irgendwie liebenswert ist dieser, wenn er Maggie nach ihrem dritten Ehebruch erklärt, sie sei keine Hure, höchstens ein «Desperate Housewife with Huring tendencies» und dabei grinst wie ein Schuljunge. Allgemein kauft man ihm ab, dass er seine beste Zeit in der Highschool erlebt hat, und seither nicht nur von einer Tragödie in die nächste rutscht, sondern auch kaum mental gealtert ist. Die witzigen Szenen sind zwar manchmal etwas plump, trotzdem hört man einige Lacher aus dem Publikum. Und wenn Maggie ihren Bruder auf Lachgas mit einem Headgear (ja, die Zahnspange) um den Kopf fragt, ob er sie zur Prom begleiten wolle, ertappt man sich selbst bei einem Grinsen. Der Film ist keine Festivalperle, bietet aber einige überraschende Szenen.