ZFF

Bei «The Great Invisible» bleibt die Umwelt unsichtbar

Was nach der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon geschah: Rezension aus der Kategorie International Documentary des Zurich Film Festival.

27. September 2014

Die Bilder flimmerten Wochenlang über alle Bildschirme: Verdreckte und verklebte Vögel, die verzweifelt versuchen, ihr Gefieder zu reinigen. Vom Öl geschwärzte Küstenabschnitte. Tausende verendeter Fische an leergefegten Badestränden. Was die Welt nach der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon zu sehen bekam, sehen die Zuschauer in Margareth Browns Dokumentarfilm «The Great Invisible» noch einmal. Die Medienberichte dienen aber nur als Einstieg. Danach beleuchtet die Dokumentation über die Ölkatastrophe neue Aspekte , welche in den Mainstream-Medien vernachlässigt wurden. Die Langzeitfolgen auf die Bevölkerung in Louisiana und Alabama werden genauso aufgezeigt wie und persönliche Schicksale der Arbeiter auf der Plattform. Dabei kommen Angehörige derjenigen elf Arbeiter zu Wort, die bei der Explosion der Deepwater Horizon gestorben sind.

Ernüchternd

Schicksalsberichterstattung fand man in den westlichen Medien zur Zeit, als die Katastrophe sämtliche Frontseiten füllte, kaum. Fragen nach dem Ausmass der Katastrophen und nach Verantwortlichkeiten wurden hingegen bereits 2010 gestellt – und Brown nimmt sie vier Jahre nach der Explosion wieder auf. In «The Great Invisible» stellen Angehörige von Opfern die Fragen und die Aufnahmen von offiziellen Verhandlungen sind eingebaut. Es ist ernüchternd, welches Bild von Inkompetenz die CEOs der von BP, Shell Exxon und co. bieten, wenn sie eingestehen, dass ihre Notfallpläne allesamt grössere Löcher haben als die Tiefbohrstation der Deepwater Horizon es hatte. Brown zeigt uns Angehörige, die Schuldgefühle plagen. Plattformarbeiter, die unter dem Post-traumatischen Stresssyndrom leiden, Küstenfischer und Shrimper, deren Existenzgrundlage von einem Tag auf den anderen zerstört wurden und vor allem christlich motivierte Helfer, die sie mit dem nötigsten versorgen. Die Produzentin zeigt in ihrem Film eindrücklich die sozialen Folgen der Ölkatastrophe und hinterlässt damit ein Gefühl des Unverständnisses.

Kritik an den USA

Die USA wird für ihren extensiven Ölkonsum und die mangelnde Alternativstrategie, sowie fehlende neue Sicherheitsmassnahmen mit eindeutigen Belegen kritisiert. Doch was in der Dokumentation fehlt, ist der Blick auf die Folgen für die Umwelt. Shrimps en masse sind in der Dokumentation zu sehen, wir erfahren, dass die Meerestiere nun teilweise importiert werden müssen, ab und zu sehen wir verdreckte Küstenabschnitte. Die ökologischen Folgen einer Umweltkatastrophe ausser Acht zu lassen, ist ein fragwürdiger Ansatz. Auf der Leinwand taucht einzig das Statement auf, BP habe nur 1/3 des austretenden Öls beseitigt. Die Frage, was für Folgen dies nicht nur für das Ökosystem hatte, wäre wichtig gewesen, um ein Rundumbild von den Folgen der Katastrophe zu schaffen. Produzentin Brown wohnt selbst in der Golfregion. Das erklärt zwar den Fokus auf persönliche Schicksale, nicht aber das völlige Beiseitelassen der ökologischen Aspekte nach einer Umweltkatastrophe. Ihre Strategie, Bilder und Zeugen der Katastrophe für sich sprechen zu lassen, hat zwar ihren Reiz doch dabei fehlt ein Erzählstrang, weil die Dokumentation gleichzeitig nicht chronologisch aufgebaut ist oder einem anderen klaren Muster folgt. Dadurch wird der Zuschauer zu sehr sich selbst überlassen. BP verweigerte dem Filmteam die Kooperation. Das erstaunt kaum, erschwerte die Arbeit aber sicherlich beträchtlich, denn Brown wollte beide Seiten portraitieren. So kommt zwar der Beamte zu Wort, welcher für die Schadensersatzforderungen verantwortlich war, doch den BP-CEO sieht man nur nach der Verhandlung in seine Limousine einsteigen.

Reminder

Abgesehen von den vernachlässigten Umweltfolgen gelingt es Brown, ein vielseitiges Bild von der Katastrophe zu zeichnen Parteien zu Wort kommen zu lassen, die nicht im Rampenlicht der Medienberichterstattung gestanden haben. Sie ist die erste, die vier Jahre nach der Katastrophe einen wichtigen Reminder darüber veröffentlicht, welche Konsequenzen unsere Abhängigkeit von Öl haben kann.