Rektor Hengartner. uzh

Hengartners Hofstaat

Der Rektor plant eine Reform, die seine Kompetenzen stärken soll. Der Plan tönt simpel, doch viele Fragen bleiben ungeklärt.

18. September 2014

Seit wenigen Monaten hat die Uni Zürich einen neuen Rektor. Und der scheint es eilig zu haben, sich als Führungsperson hervorzutun. Bereits im Juni hat Michael Hengartner einen Vorschlag präsentiert, wie er die Unileitung umbauen möchte. Was nach harmlosen Formalitäten klingt, ist eine tiefgreifende Reform. Sie könnte die zukünftige Entwicklung der Universität Zürich wesentlich prägen. Denn die Pläne werfen die grundsätzliche Frage auf: Wie viel Führung braucht eine Universität? Während der Causa Mörgeli waren sich Politikerinnen und Politiker aller Couleur noch einig: Die Universität hat eine schwache Leitung. Daher scheint es gerechtfertigt, dass Michael Hengartner nun plant, die Rolle des Rektors zu stärken. Bis Ende November haben die Fakultäten, die Stände (Studierende, Assistierende, Privatdozierende) und der VSUZH Zeit, um zu seinen Plänen Stellung zu nehmen. Die Meinungen gehen auseinander. Neben inhaltlicher Kritik wird diskutiert, ob die anstehende Reform ein undurchdachter Schnellschuss oder als Konsequenz der letztjährigen Negativschlagzeilen längst überfällig ist.

Die Reform in Kürze

Die wichtigsten Punkte der Reform sind folgende: Die Universitätsleitung wird nicht mehr aus fünf, sondern aus zwölf Mitgliedern bestehen. Die Dekaninnen und Dekane aller sieben Fakultäten sollen darin Einsitz haben. Eine Sonderstellung kommt der Medizinischen Fakultät zu. Deren Vertretung soll gleichzeitig auch als Direktorin oder Direktor Universitäre Medizin fungieren und würde damit dem inneren Zirkel angehören. Die drei Prorektoratsposten beinhalten neu jeweils eine spezifische Aufgabe. Die drei Verantwortlichkeitsbereiche werden «Nachwuchsförderung und Innovation», «Studium und Lehre» und «Professuren und Personal» genannt. Weiter wird die Stellung des Rektors gestärkt, da er ein Veto-Recht beim Entscheid besitzen wird, wer Dekanin oder Dekan werden kann. Das heisst, die Fakultäten können nur über Kandidatinnen und Kandidaten abstimmen, die von Hengartner genehmigt wurden. Diese Änderungen müssten im Universitätsgesetz verankert werden. Wird die Reform angenommen, so wird sie bis 2016 umgesetzt.

Studentische Mitsprache

Bereits heute ist der politische Einfluss der Studierenden gering. Es ist unklar, wie sich die Reform auf ihre Mitsprache auswirken würde. Umso frappierender scheint es, dass sich der VSUZH noch nicht dazu geäussert hat – drei Monate nach Bekanntmachung der Pläne. Tristan Jennings, Co-Präsident, teilt am Telefon mit, es sei noch zu früh, um etwas zu sagen. Es sei jedoch ein Treffen mit dem Rektor geplant. Klarer positioniert sich Beat Meier. Er ist einer der beiden studentischen Vertreter in der EUL (erweiterten Universitätsleitung): «Die Reform wirkt als Ganzes nicht durchdacht.» Er kritisiert, dass die Mitsprache der Stände verwässert werde. Heute behandelt die EUL Geschäfte noch eingehend. Stiegen die Dekaninnen und Dekane aber aus der EUL in die Universitätsleitung auf, so würde das Organ mit studentischer Mitsprache zu einem Scheingremium verkommen. Alle wichtigen Entscheide würde dann die Unileitung fällen und die EUL könnte sie nur noch abnicken.

Dekane überlastet?

Beat Meier beschäftigen nicht nur praktische, sondern auch grundsätzliche Fragen. Macht es Sinn, alle Fakultäten in der Unileitung zu vereinen? «Die Fakultäten haben so unterschiedliche Bedürfnisse, da wird es schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden.» Er befürchtet weiter, dass die Arbeitslast für die Dekaninnen und Dekane zu hoch sein wird. «Es müssten immer alle über die Geschäfte aller informiert sein», kritisiert Meier. Es sei schon anspruchsvoll genug, in der eigenen Fakultät den Überblick zu wahren. Auch die Umgestaltung des Prorektorats sei nicht zu Ende gedacht. Das Amt würde nach der Reform in eine Vollzeitstelle umgewandelt. «Was geschieht mit dem Lehrstuhl der Professorinnen und Professoren, wenn diese für Jahre weg sind?» Als Fazit hält Meier fest: «Die Reform macht die Universitätsleitung nicht stärker, sondern starrer.»

Stärken oder nicht stärken?

Kritik kommt auch aus politischen Kreisen. Esther Guyer, Kantonsrätin der Grünen, findet es fraglich, ob eine zwölfköpfige Unileitung handlungsfähiger ist. Es sei zwar positiv, dass die Fakultäten gezwungen wären, sich miteinander auszutauschen. Da es an diesen Sitzungen aber auch um Finanzen gehe, werde sich jede Dekanin und jeder Dekan primär für die eigene Sache einsetzen. Hengartner sieht dies anders. Gegenüber der «NZZ» sagte er, dass mit dem Austausch das Verständnis für Probleme anderer Fakultäten gestärkt werde. Guyer glaubt nicht, dass es so harmonisch zu und her gehen wird. «Wenn ich Hengartner wäre, würde ich ein Notfallgremium einrichten, das Entscheidungen bei Konflikten schnell treffen kann.» Die Reform ist auch Anlass für grundsätzliche Überlegungen. So meint Werner Inderbitzin, Alt-Rektor der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), dass der Begriff «Führung» in akademischen Kreisen generell skeptisch aufgefasst werde. «Viele Menschen bringen Führung mit profitorientierten Unternehmen in Zusammenhang.» Weiter erklärt Inderbitzin, dass der Rektoratsposten an der Universität eher schwach ausgestaltet ist. Er hatte als Rektor der ZHAW weitaus mehr Kompetenzen. Der Rektor an Fachhochschulen gilt als eigenes Organ und hat das Recht, die Hochschulleitung bei Uneinigkeit zu überstimmen. Das Fachhochschulgesetz gibt dem Rektoratsposten also grösseres Gewicht als das Universitätsgesetz. Innerhalb der Uni wird wohl auch die Sonderstellung des Dekans oder der Dekanin der Medizinischen Fakultät zu Diskussionen führen. Der aktuelle Dekan Klaus Grätz befürwortet die Stärkung der Medizin. Die Fakultät habe eine komplexe Aufgabe zu bewältigen, da sie mit fünf universitären Spitälern zusammenarbeite. Aber auch er findet, die Universitätsleitung sollte ein kleines Gremium sein. «Eine grosse Leitung könnte rasch insuffizient werden.» Ob Hengartner seine Vorschläge umsetzen kann, wird schlussendlich der Kantonsrat entscheiden. ◊