Die Indiensammlung der Sammlung für Völkerkunde im Universitätshauptgebäude, 1940er-Jahre. Universität Zürich

«Ein politisch korrektes Völkerkundemuseum würde sich selbst aufheben»

18 Monate lang war das Völkerkundemuseum für das Publikum geschlossen. Diesen Freitag wird das Haus wiedereröffnet. Die Ausstellung «Trinkkultur-Kulturgetränk» soll die Besucher ins sanierte Museum locken.

17. Juni 2014

Drei Tage vor der offiziellen Eröffnung riecht es im Museum nach frischer Farbe. Die Vitrinenkasten (noch ohne Scheiben) werden von Kabelrollen und Werkzeugkisten versperrt. Schraubenzieher und Klebeband liegen herum; noch nicht alle Schilder hängen, wo sie sollten. Die Handwerker hämmern im Hintergrund, als Thomas Laely, Vizedirektor des Völkerkundemuseums, erklärt, was der Umbau für das Haus bedeutet: «Wir wollten hier im Alten Botanischen Garten kein Wahrzeichen architektonischer Art setzen. Wir wollten eine innerliche Verbesserung.» Das neue Museum soll die ethnologische Forschung aus dem Elfenbeinturm tragen und sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Kurator Andreas Isler wünscht sich ein möglichst gemischtes Publikum. Erfahrungsgemäss besuchten aber vor allem ältere Menschen und Touristen das Museum für Völkerkunde. In der neuen Ausstellung haben die Kuratoren auf neue Medien gesetzt und wollen damit auch jüngere Besucherinnen und Besucher begeistern. «Wir haben im Team darüber diskutiert, ob wir neue Techniken wie Pads verwenden sollten, da wir nicht sicher waren, ob die älteren Besucherinnen und Besucher damit umgehen können.»

Alte Sammlung, neues Museum

Das Völkerkundemuseum hat drei Gründe zum feiern: Die Sanierung ist abgeschlossen, eine neue Ausstellung wird in drei Tagen eröffnet und die ethnologische Sammlung Zürich wird dieses Jahr 125 Jahre alt. Das Gründungsjahr der Ethnographischen Gesellschaft Zürich fällt ins Jahr 1888; diese wollte gemäss ihren Statuten die «Völkerkunde in theoretischer und praktischer Hinsicht fördern». Am 3. Dezember 1916 zog die «Sammlung für Völkerkunde der Universität Zürich» im 2. Stock des Hauptgebäudes an der Rämistrasse ein. 1980 erhielt die Sammlung ihr eigenes Haus im Alten Botanischen Garten. Jährlich steht dem Museum ein Budget von 500'000 Franken zur Verfügung. Hierbei sind die Löhne nicht miteingerechnet. Bezahlt davon werden die Publikationen, die Werbung, die Bibliothek, sowie Ausstellungsmaterialien. Finanziert wird das Haus seit jeher von der Universität Zürich. Dieses Jahr wurden die Populären Kulturen, die Ethnologie und das Völkerkundemuseum zu einem einheitlichen Institut zusammengeschlossen, dem ISEK (Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft).

«Trinkkultur- Kulturgetränk»

In der Wiedereröffnungsausstellung dreht sich alles ums Trinken. Kuratorin Maike Powroznik erklärt, das Thema sei ausgewählt worden, da anhand der Trinkkultur drei verschiedene Aspekte einer Gesellschaft beleuchtet werden können: «technische, soziale und weltanschauliche». Die Ausstellung porträtiert sieben verschiedene Getränke. Der erste Teil wird der Alpmilch in der Schweiz gewidmet. Eigentlich sollten in diesem Raum die Kuhlockrufe der Sennen ertönen, aber hier funktioniere etwas noch nicht richtig, teilen die Kuratoren mit. Es folgen Räume zu tropischem Palmwein, amazonischem Maniokbier, Kawa aus der Südsee, Sauermilch aus Afrika, tibetischem Tee und Reisbier aus Ostasien. Beim Reisbier irritiert die erste Informationstafel. Die ersten Sätze lauten: «Die Menschen langweilten sich. Sie sassen da, stumm beieinander und hatten sich nichts zu sagen.» Zum Glück wurde das Reisbier entdeckt.

Gefahr des Kulturimperialismus

Angesprochen auf die schwierige Geschichte der Völkerkunde, den Kolonialismus und die Gefahr, andere Kulturen als weniger kultiviert darzustellen, sagt Kurator Andreas Isler: «Ein politisch korrektes Völkerkundemuseum würde sich selbst auflösen.» Dieser Aspekt sei nicht auszublenden, aber man müsse versuchen, ihn in die Ausstellung zu integrieren. Es sei ihre Aufgabe, aufzuzeigen, wie Klischees entstehen und entstanden sind. Es habe nicht nur zahlreiche Reiseberichte von Europäern gegeben, die über ihre Freude berichteten, endlich die «Wilden» gesehen zu haben. Kolonialisierte Völker hatten auch rasch erkannt, dass man mit Klischees Geld verdienen konnte. So seien nicht wenige Ausstellungsstücke in Völkerkundemuseen Exportprodukte, die extra für diesen Zweck hergestellt wurden. Daher meint Isler, «die Klischees gehören einfach dazu.»

Öffnungszeiten

Dienstag, Mittwoch, Freitag: 10-17 Uhr, Donnerstag: 10-19 Uhr

Samstag: 14-17 Uhr, Sonntag: 11-17 Uhr, Montag: geschlossen