dimitri-stapfer.ch

«Schauspielen ist wie ein Psychologie-Studium»

Dimitri Stapfer ist ab Morgen im Kinofilm «Left Foot, Right Foot» von Germinal Roaux zu sehen. Für seine Rolle des Mikas wurde er mit dem Schweizer Filmpreis in der Kategorie Beste Nebenrolle ausgezeichnet. Im Interview mit der ZS erzählt er, wie er die Dreharbeiten erlebt hat und wie er seine Zukunft sieht.

14. Mai 2014

Dimitri, du hast den Schweizer Filmpreis als bester Nebendarsteller gewonnen. Bei der Preisverleihung schienst du recht überrascht zu sein. Hast du es inzwischen realisiert?

In dem Moment als mein Name aufgerufen wurde, fiel mir zuerst mal das Herz in die Hosen. Der ganze Abend war sowieso extrem turbulent gewesen, da ich direkt nach dem Erhalt des Quarzes den Saal verlassen musste, um im Schauspielhaus eine Premiere zu spielen. Als ich auf dem Weg ins Theater war, kam dann im Taxi diese unbeschreibliche Glückswelle und ich war stolz und glücklich.

Und die Trophäe hat einen Ehrenplatz bekommen bei dir Zuhause?

Nicht wirklich. (lacht) Er steht in meinem Zimmer und da passt er gut hin.

Im Film spielst du eine autistische Figur mit einer geistigen Behinderung. Es heisst, dass du dich vor den Dreharbeiten intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt hast. Wie war dies für dich?

Ich habe mich im Voraus mit Grundlegendem informiert und bin dann in ein betreutes Wohnheim gegangen und habe mit den Menschen dort zwei wunderschöne Tage verbracht, mit ihnen gesprochen und sie beobachtet, wie sie reagieren, und vor allem auch wie sie die Welt wahrnehmen.

Wie erlebtest du die Dreharbeiten? Gab es ein spezielles Erlebnis, welches dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Als ich einmal befürchtete der Rolle nicht gerecht zu werden legte der Regisseur mir die Hand auf den Bauch und meinte: It`s all in you. Danach konnte ich mich wieder völlig auf die Rolle einlassen. Dieses Erlebnis spricht auch für unsere gute Zusammenarbeit. Und das andere Spezielle war, als ich mal mit einer Gruppe von Menschen mit Behinderung eine Szene hatte. Vor diesem Drehtag hatte ich extrem Respekt, denn ich wollte mit meinem Spiel niemanden denunzieren. Sie haben mich aber von Anfang an herzlichst aufgenommen und mich und meine Rolle akzeptiert. Es war einer der schönsten Drehtage.

Beim Film kannst du im Gegensatz zum Theater deine Performance im Nachhinein anschauen. Wie war das für dich? Kann man den Film wirklich geniessen oder schaut man ständig auf sich und versucht Schwächen zu erkennen?

Bei mir ist es schon so, dass ich mich in erster Linie voll auf mich konzentriere, wie es rüberkommt und wie ich gespielt habe.

Und zufrieden mit deiner Leistung?

Ja schon, also natürlich gibt es immer wieder Momente, wo man sich dann fragt, warum haben sie nicht die andere Aufnahme genommen, aber der Film hat mich in die Geschichte hineingezogen und das ist die Hauptsache.

Vom Theater zum Film. Worin lag für dich die wesentliche Herausforderung?

Beim Film kommst du näher ans Detail – mit einem Wimpernschlag kannst du eine neue Szene eröffnen, wo hingegen im Theater auch der Zuschauer in der 29. Reihe hinten links verstehen muss, was du spielst. Das Schauspiel passt sich dem Medium an, aber die Intensität für den Zuschauer bleibt die gleiche.

Meinst du, du wärst auch auf die Idee gekommen Schauspieler zu werden, wenn du nicht beim Zirkus angefangen hättest?

Das habe ich mich schon oft gefragt. Das habe ich mich wirklich schon oft gefragt! Der Zirkus Chnopf hat auf jeden Fall mein Feuer für die Schauspielkunst entfacht und dafür bin ich dankbar. Ob es mich ohne den Zirkus gepackt hätte, kann ich so nicht beantworten.

Apropos gepackt - Was fasziniert dich denn besonders an der Schauspielerei?

(überlegt) Du setzt dich mich mit verschiedensten Menschen und Rollen auseinander und lernst gleichzeitig viel über dich selber, weil du rausfinden musst, was die Rolle ausmacht und wie du dies zeigen kannst und dadurch erhältst du ein immer besseres Verständnis für alle Art von Menschen. Anfangs ist es mir vorgekommen wie ein Psychologie-Studium. Es widerspiegelt auch die grosse Bühne, die Welt. Ich finde, ich kann durch das Theater viel verstehen, was um mich herum passiert.

Du bist ja zurzeit noch im Master an der ZdHk, wie sieht ein typischer Tag dort aus?

Also momentan bin ich seit einem Jahr im Ensemble des Schauspielhauses und mache dort das Schauspielstudio, das heisst, ich kann dort spielen und kriege gleichzeitig meine Master-Credits gutgeschrieben.So sieht mein Tag zurzeit aus: Theater. 10-14 ist Probe und dann um 18-22 geht es weiter, dazwischen mache ich einen Mittagsschlaf, lerne Text und abends komme ich nachhause, lerne Text, mache mir was zu essen und gehe schlafen. So sieht mein Leben aus.

Schauspieler ist für viele ja auch ein Traumjob, dies klingt jedoch mehr nach Job als nach Traum…

Ja, es ist uhuere schträng. (lacht) Manchmal bin auf der Bühne, und echt kaputt, und es ist ja auch unsicher mit der Zukunft und alles, aber gleichzeitig kann ich das tun, was mich erfüllt. Momentan bin ich auf einem Weg, der mich glücklich macht und wo ich denke, etwas Gutes zu tun, indem ich Menschen Geschichten erzähle. Und das ist eigentlich wie ein Traum.

Was ist dein Lieblingsfilm?

Ähm, ja also ich habe gerne gute Low-Budget Filme, auch alternatives Programm, aber ich liebe auch Hollywood-Blockbuster (lacht). Ich muss sagen, ins Kino gehe ich total gerne Blockbusters schauen, einfach um abzuschalten, und andere Filme schaue ich gerne zuhause.

Was machst du sonst so um abzuschalten?

Also entweder ist es so, dann bin ich am spielen, oder sonst mach ich das, was alle anderen auch machen, gehe im Sommer an die Limmat, mit Kollegen eins trinken, mache Ferie, lese, schaue Filme…

Stichwort Ferien: Im Sommer schliesst du ja dein Schauspielstudium an der ZHdK ab. Schon Pläne für danach? Machst du erstmal Ferien?

Also Ferien kann ich mir nicht gerade leisten, und sagen ich mach jetzt zuerst mal vier Monate Pause, weil ich die Schauspielschule gemacht habe, kannst du nicht. Du musst dran bleiben! Und ja ich habe Pläne. Ich habe zum Beispiel ein neues Projekt unter Freunden und der Theaterproduktion Extraleben initiiert.

A lovely piece of shit?

Ja genau! Die Energie dazu kam aus einem ähnlichen Projekt von mir am Schauspielaus, es hiess Alibaba fuck you 2. Das habe ich mit Freunden für die Eröffnung der Saison am Zürcher Schauspielhaus erarbeitet. Wir haben dann gemerkt, dass wir auch aus eigener Kraft ein Stück entwickeln können und uns mit befreundeten Theaterschaffenden und einem DJ zusammengetan. Als Gruppe und mit der Produktion Extraleben werden wir nun das Stück kommenden Sommer schreiben und entwickeln und wird dann im Winter Premiere haben. Wir führen das Stück in verschiedensten Elektroclubs in der Schweiz auf, machen mit dem Publikum die Nacht durch, und treten zur frühen Stunde in Katerstimmung auf die Bühne. Das Stück, dass wir alle gemeinsam erarbeiten, geht um unsere persönlichen Erfahrungen mit unserer Generation, eine Sinnsuche irgendwo zwischen dem lauten Exzess und unserem stillen Abdriften in eine historische Bedeutungslosigkeit. Ich freue mich darauf, a lovely piece of shit wird ein sehr persönliches Stück, für uns alle. Und darüber hinaus bin ich noch im Gespräch für andere Theaterstücke. Also Pläne habe ich einige.

Du hast mal gesagt, dass du lieber in der Schweiz arbeitest als in Deutschland. Glaubst du, dass es Schweizer Schauspieler im Ausland schwerer haben?

Dort bin ich eben etwas falsch verstanden worden! Ich habe gemeint, dass ich gerne in der Schweiz arbeite, aber dass ich auf jeden Fall in Deutschland und Österreich Fuss fassen möchte, ich habe in Berlin auch meine Agentur… In der Schweiz sehe ich einfach auch ein grosses Potenzial für den Film und denke, dass wir in den nächsten Jahren noch mit einigen guten Filmen überrascht werden.

Was möchtest du gerne noch erreichen oder lernen?

Also in erster Linie sicher die Schauspielerei voran zu treiben, was auch beinhaltet davon leben zu können und sicher auch die Schweizer Grenzen herauszufordern.

Amerika ist kein Thema?

Immer diese Amerikafrage… (überlegt) also wenn ein Regisseur daher kommen würde und so, hey du bist ein geiler Siech ich mag deine Arbeit, dann gehe ich klar mit, aber ich gehe jetzt nicht einfach nach Amerika und erhoffe mir dort entdeckt zu werden.

Wo siehst du dich in 10 Jahren?

(lacht, überlegt dann) Der Weg ist das Ziel, nicht wahr?