Man wünschte sich, das Wissen flöge einem zu. Oder heisst es fliegte? Louise Østergaard

Die Sonne hat geschonnen

Obwohl Deutsch die Muttersprache vieler Studierender ist, tun sich so manche schwer damit.

5. Mai 2014

Wir sprechen in unserem Alltag nur Schweizerdeutsch und haben noch nie ein Wort im Duden nachgeschlagen. Die ZS hat nachgefragt, was es mit dem Klischee auf sich hat, dass viele Studierende die deutsche Sprache nicht beherrschen. Sandra Ujpétery ist neben dem Studium an der Uni Zürich als freischaffende Lektorin und Korrektorin tätig (auch für die ZS). Bei ihrer Arbeit bekommt sie es mit ganz unterschiedlichen Sprachkenntnissen zu tun. So sehe sie brillant formulierte Seminararbeiten, bei denen es bloss einige Kommafehler zu korrigieren gebe, und Texte, bei denen es bereits bei Inhalt und Aufbau hapere. «Das Spektrum ist sehr breit», sagt sie. Der wissenschaftliche Schreibstil bereite vor allem Studienanfängern Probleme. Manchen falle es zudem schwer, den roten Faden nicht zu verlieren.

Der Fluch der Mehrsprachigkeit

Professor Norman Backhaus, wissenschaftlicher Abteilungsleiter des Geographischen Instituts, bestätigt Ujpéterys Eindruck: «Bei Bachelor- und Masterarbeiten fällt es mir heute auf, wenn eine Arbeit stilistisch gut und weitgehend fehlerfrei ist. Solche Arbeiten sind seltener geworden.» Dies lasse sich aber auch darauf zurückführen, dass mehr Englisch gesprochen wird. «Die Studierenden müssen heute mehrsprachig unterwegs sein. Sie pendeln häufig zwischen Deutsch und Englisch hin und her.»

Zu wenig Zeit und zu viel Druck

Die Studierenden stehen oft unter gros-sem Zeitdruck und können Arbeiten nicht mehr eine Weile liegen lassen, um sie später nochmals auf Fehler zu überprüfen. Dies beobachtet auch Ulrike Babusiaux, Professorin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. «Nach meinem Eindruck denken viele Studierende, dass sie schon mit einer ersten Version eine Topleistung erbracht haben. Erfahrungsgemäss sind darin aber noch sprachliche Ungereimtheiten enthalten.» Sie sei überrascht, wie wenig Wert manche Studierende auf die sprachliche Form legen, dabei sei die Schreibfähigkeit das A und O der Rechtswissenschaft. Eine von mehreren Lösungen sieht Andreas Thier, Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, in der obligatorischen Veranstaltung zur Juristischen Arbeitstechnik. Diese trage seit ihrer Einführung viel dazu bei, dass die Studierenden besser schreiben lernen.

Social Media tragen keine Schuld

Den Vorwurf, dass die Sprachkompetenz leide, weil sich die Studierenden via Facebook und SMS umgangssprachlich unterhalten, weist Christa Dürscheid zurück. Sie ist Linguistikprofessorin am Deutschen Seminar. In ihrer Studie «Wie Jugendliche schreiben – Schreibkompetenz und neue Medien» zeigte sich, dass junge Erwachsene zwischen Alltagssprache und wissenschaftlicher Sprache sehr wohl unterscheiden können. Gerade in der Germanistik konnte Dürscheid keine Verschlechterung der Sprachkompetenz von Studierenden nachweisen. Grammatik und Orthographie beherrschen ihre Studierenden. Die Probleme liegen auch hier bei der wissenschaftlichen Schreibweise. «Bei Aufbau, Leserführung und Argumentationsweisen gibt es grosse Unsicherheiten bei den Studierenden», so Dürscheid. Dies liege wahrscheinlich auch daran, dass Studierende bis zum Studium nie mit der wissenschaftlichen Sprache konfrontiert werden und sich diese dann aneignen müssen. Aber dafür seien das Studium und Kurse zur wissenschaftlichen Arbeitsweise da. Am Ende ist es beim Schreiben wie bei anderen Kompetenzen auch: Manche beherrschen den Umgang mit Wörtern, andere schreiben, dass die Sonne geschonnen habe.