Ökologisch und günstig: Vorlesungsverzeichnis nur noch digital. Rosina Walter

Ausgedruckt

Über 180 Jahre lang konnte das Vorlesungsverzeichnis in Buchform bezogen werden. Das hat nun ein Ende.

5. Mai 2014

Das Frühjahrssemester 2014 ist ein historisches. Bis anhin war das Vorlesungsverzeichnis jedes Semester in gedruckter Form verfügbar und konnte in der Kanzlei der Uni oder in Studiläden gekauft werden. Diese 181-jährige Tradition nimmt nun ein Ende. Zum letzten Mal ist das Vorlesungsverzeichnis nicht nur online einzusehen, sondern kann für 6 Franken auch in gedruckter Form erworben werden. «Wir müssen mit dem Zeitgeist gehen», meint Thomas Tschümperlin, Leiter des Rektoratsdienstes der UZH. Die Einstellung des Drucks bringt nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile, da so bis zu 50 000 Franken pro Semester eingespart werden können.

Die Zeiten ändern sich (nicht)

Tatsächlich war die Uni Zürich die letzte Universität der Schweiz, die das Vorlesungsverzeichnis überhaupt noch in gedruckter Form anbot. Die Frage, ob auch die ältere Generation von Studierenden mit der neuen Technik klarkommen wird, bejaht Tschümperlin: «Wer an der Uni Zürich studiert, ist auch elektronisch bewandert. Es handelt sich sowieso um eine Minderheit, die das Vorlesungsverzeichnis überhaupt noch gedruckt bezieht.» Die Umstellung wird an vielen Studierenden also ohnehin unbemerkt vorüberziehen.

Nicht nur das fortlaufende Vorlesungsverzeichnis ist online einzusehen. Nebst den aktuelleren Jahrgängen findet sich auch das historische Vorlesungsverzeichnis der Universität Zürich im Internet. Darin sind alle Veranstaltungen seit dem Gründungsjahr 1833 verzeichnet. Damals wurden in vier Fakultäten 105 Vorlesungen angeboten und die Räume nur von 161 Studierenden und 55 Dozierenden gefüllt. Dennoch unterscheidet sich das Angebot an Veranstaltungen von 1833 auf den ersten Blick nicht besonders von dem heutigen. Vorlesungen über Römisches Erbrecht oder die Nibelungen haben sich über die Jahrzehnte gehalten. Überraschung lösen eher Kurse wie «Die Lehre von Giften» oder «Geburtshülfe» aus. Auch Veranstaltungen wie «Ueber Frauenzimmer- und Kinderkrankheiten» oder «Wechselrecht» wirken aus heutiger Sicht antiquiert.

Geschichtsträchtig

Der grösste Unterschied zwischen damals und heute ist aber nicht das Vorlesungsangebot, sondern die Geschlechterfrage. Männer verbrachten die ersten Jahrzehnte auf dem Campus unter sich. Die erste Frau schloss ihr Studium 1867 ab. Als Emilie Kempin-Spyri 1885 ihr Jurastudium begann, tat sie dies als erste Frau im gesamten deutschsprachigen Raum. Während der darauffolgenden beiden Jahre war sie womöglich in Vorlesungen wie «Allgemeine Rechtslehre» oder «Zürcherisches Erbrecht» anzutreffen, die in diesen Jahren angeboten wurden. Nachdem sie zwei Jahre später ihr Studium abgeschlossen hatte, setzte sie sich für Frauenrechte ein. Heute steht im Lichthof des Hauptgebäudes das blaue Sofa, das an ihre Verdienste erinnert.

Im Gegensatz zum aktuellen Vorlesungsverzeichnis kann das historische noch immer in gebundener Form erworben werden. Wer heute noch gedruckte Versionen des Verzeichnisses besitzt, sollte diese allerdings aufbewahren, meint auch Tschümperlin. In 180 weiteren Jahren könnte es sich dabei um historische Dokumente handeln.