Verteidigungsministerien beschiessen Schweizer Hochschulen mit Geld. Eva Lanter

Armee als Partner

Schweizer Hochschulen forschen für militärische Zwecke. ETH und Uni begründen dies mit ihrer gesetzlichen Pflicht und der Forschungsfreiheit.

29. März 2014

An Schweizer Hochschulen wird fragwürdige Forschungszusammenarbeit betrieben. Vom US-Verteidigungsministerium haben sie im Jahr 2013 rund eine Million Franken erhalten, wie aus Berichten der Sonntagszeitung hervorgeht. Allein das Zentrum für Strukturtechnologie der ETH bekam 200 000 Franken. SVP-Nationalrat Felix Müri, Vize-Präsident der parlamentarischen Kommission für Wissenschaft und Bildung (WBK), zeigte sich gegenüber der Sonntagszeitung empört: «Es kann nicht sein, dass Schweizer Hochschulen unter der Hand Gelder einer fremden Streitmacht kassieren.» Er wolle die Forschungszusammenarbeit stoppen, erklärte er. Das ist jetzt bereits drei Monate her. Das Kommissionssekretariat der WBK gab auf Anfrage der ZS bekannt, dass die Drittmittelthematik im zweiten Quartal in der WBK behandelt werde, wobei auch die Forschungskooperation mit ausländischen Streitkräften thematisiert werden könnte.

4,4 Millionen Franken vom VBS

Nicht nur ausländische Streitmächte haben Interesse an Schweizer Forschung. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) hat beim Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) nachgefragt, welche Summen jährlich in Schweizer Hochschulen gesteckt werden und wer wie viel bekommt. Die Antwort des Departements: 4,4 Millionen flossen allein 2013 an die Hochschulen für «Projekte im Bereich der Sicherheitsforschung». Der Armeestab bewilligt die Kredite, die Vergabe erfolgt durch armasuisse, das Eidgenössische Kompetenzzentrum für Armeebeschaffungen. Spitzenreiterin ist die ETH Lausanne mit 969 000 Franken. Den zweiten Platz belegt die ETH Zürich mit 665 925, knapp gefolgt von der Uni Zürich mit 620 000 Franken. Wer davon ausgegangen ist, dass vor allem technische Hochschulen mit Unterstützung der Armee forschen, hat also weit gefehlt.

Keine zentrale Prüfung an der UZH

Angesprochen auf die Forschungsgelder des VBS argumentiert Beat Müller, Medienbeauftragter der UZH, mit dem Universitätsgesetz: «Die Universität Zürich hat wissenschaftliche Arbeit in Forschung und Lehre im Interesse der Allgemeinheit zu leisten und sie hat in diesem Zusammenhang auch Dienstleistungen zu erbringen.» Aus diesem Grund würden auch «wenige Verträge mit dem VBS abgeschlossen», beispielsweise über die Anstellung eines Spezialisten zur medizinischen Abwehr von Biokampfstoffen oder die Weiterbildung in der Katastrophen- und Wehrpsychiatrie.

Bei diesen Beispielen steht der Hilfsaspekt im Vordergrund. Doch ist Rüstungsforschung moralisch in jedem Fall vertretbar? Professor Peter Schaber, Vorsitzender der Ethikkommission der UZH, findet darauf keine generelle Antwort: «Wir müssen uns fragen, mit welcher Art von Waffentechnologie wir es im Einzelfall zu tun haben. Es gibt Waffen, deren Einsatz nie gerechtfertigt sein kann.» Er meint etwa chemische und biologische Waffen. Darüber hinaus spiele es eine Rolle, ob sie zum Zweck der Selbstverteidigung benutzt werden. «Verteidigungskriege gelten schliesslich im breiten Konsens als moralisch vertretbar.» Auch sei relevant, welche Armee die Gelder bezahlt. «Forschungszusammenarbeit mit Regimes, die möglicherweise menschenrechtswidrige Ziele verfolgen, muss unterlassen werden.»

Bei so vielen verschiedenen Kriterien ist Schaber der Meinung, dass jedes Forschungsprojekt individuell beurteilt werden müsse. Aber dafür ist an der UZH niemand zuständig; es gibt keine institutionalisierten Richtlinien im Bereich der Rüstungsforschung. Beat Müller begründet auch dies mit dem Universitätsgesetz, das Freiheit von Forschung und Lehre verlange. Daher müssten die Forschenden selber entscheiden, ob und mit wem sie Verträge abschliessen.

Eigenverantwortung

Auf die Frage, welche Kriterien die ETH Zürich bei der Bewilligung von Zusammenarbeiten berücksichtige, nennt auch Mediensprecher Roman Klingler als Erstes die Forschungsfreiheit. Diese sei «absolut zentral». Er ergänzt: «Ethische Gesichtspunkte werden mitberücksichtigt und Kooperationen sind abzulehnen, wenn daraus ein Reputationsrisiko für die Hochschule resultiert.» An der ETHZ müssen Kooperationen erst ab einem Betrag von 50 000 Franken zwingend von der Technologietransferstelle geprüft werden. «Unterhalb dieser Limite wird an die Eigenverantwortung der Professorinnen und Professoren appelliert», so Klingler. Gefragt nach der Zusammenarbeit mit dem VBS nennt er als Beispiel das Zurich Information Security and Privacy Center, an dem «über die Sicherheit von vernetzten Informationssystemen geforscht wird».

Zivilklauseldebatte noch kein Thema

Ob an Hochschulen überhaupt für Rüstungszwecke geforscht werden soll, ist eine Grundsatzfrage. Rund ein Dutzend deutsche Hochschulen hat in den letzten Jahren sogenannte Zivilklauseln eingeführt, die Forschung zu militärischen Zwecken verbieten. In der Schweiz steht die Debatte um eine solche Klausel noch am Anfang. Die Anfrage der GSoA an das VBS sei ein erster Schritt, um die Dimension der Investitionen seitens der Rüstungsindustrie abschätzen zu können, wie GSoA-Sprecher Nikolai Prawdzic sagt. «Bei Forschungszusammenarbeiten in diesem Bereich haben wir es mit einer Black Box zu tun und da gilt es Einblick zu erhalten», so Prawdzic. Den Anstoss zur Diskussion müssten aber die Hochschulen selbst geben. Weil viele Forschungsinstitutionen unter der Hoheit der Kantone stehen, ist eine gesamtschweizerische Lösung nur schwer umsetzbar. Das beliebteste Argument gegen eine Zivilklausel ist gerade die Forschungsfreiheit. Professor Schaber meint dazu: «Sie muss natürlich gewahrt werden, aber nur innerhalb der Grenzen des moralisch Vertretbaren.» Er bleibt skeptisch gegenüber einer Zivilklausel; solange man Selbstverteidigungskriege für gerechtfertigt hält, könne man Forschung zu Rüstungszwecken nicht generell verbieten.