Er war der oberste Student, als der Rektor das Handtuch warf: Julian Renninger.

«Das Geschacher um Macht und Ämter hat mich schockiert»

Der abtretende VSUZH-Copräsident verrät, warum ihn seine Kollegen mehr Nerven kosteten als der Rücktritt des Rektors und warum die Studierenden immer noch nicht wissen, ob ihre Mails gescannt wurden.

21. März 2014

Im Studierendenverband VSUZH fand unbemerkt eine kleine Revolution statt. Mit Julian Renninger hat sich der letzte Studierendenvertreter, der bei der Gründung des neuen Verbandes massgeblich beteiligt war, aus dem Vorstand des VSUZH zurückgezogen. Julian war im Vorstand im alten StuRa und erster Copräsident des neuen Verbandes VSUZH. Er erlebte die Wirren bei der Gründung des Verbandes und die Skandale um das Medizinhistorische Institut hautnah. Wir fragten ihn, wie die neuen StudipolitikerInnen ticken und, wie er die dramatischen Stunden des Rektorenrücktritts erlebte.

Julian, Du warst nun ein Jahr lang der mächtigste Student der Uni Zürich. Was hast Du über die Uni gelernt?

Ich war sehr positiv überrascht. Der jeweilige Rektor und die Unileitung hörten uns zu und waren offen für unsere Anliegen. Bei der Umsetzung haperte es dann aber meist.

Woran lag das?

Je tiefer in der Unihierarchie, desto weniger offen sind die Leute für Neues. Was der Rektor und die Dekane noch gut finden, hat es bei den Professorinnen und Professoren oft schwer. Die wollen sich nicht reinreden lassen.

Zum Beispiel?

Als wir aufgedeckt haben, dass die Präsenzlisten keine Rechtsgrundlage haben, reagierte das Studiendekanat sofort. Doch einzelne Profs verweigern sich dieser Realität bis heute. Das gleiche gilt für Podcasts. Die Profs haben Angst, dass sie bald überflüssig sind und sperren sich dagegen.

Du warst oberster Student, als der damalige Rektor Andreas Fischer wegen des Falls Mörgeli-Ritzmann zurücktrat. Wo warst du, als dich die Nachricht erreichte?

Ich war gerade in Berlin, besuchte Ex-StuRa Präsident Martin Roeck, und erfuhr vom Rücktritt wie viele andere Studierende per Mail. Mein Telefon klingelte ab da nonstop. Ein Journalist fragte mich, ob wir den Rücktritt begrüsssen würden, wer den Rektor gestürzt habe und ob wir Interna verraten könnten sowie andere suggestive Fragen. Wir haben aber von Anfang an entschieden, uns nicht in die parteipolitischen Kämpfe rund um den Fall Mörgeli einzumischen und das war richtig.

Der Rücktritt des Rektors war die Feuerprobe für den neu gegründeten Verband.

Schon kurz vor Fischers Rücktritt führten wir Gespräche mit der Unileitung. Im Nachhinein wurde mir klar, warum der Rektor selber schon nicht mehr dabei war. Wir begleiteten dann den Übergang und ernteten viel Respekt von der Interimsführung und konnten uns so als guter Partner in der Unipolitik positionieren.

Ihr habt euch also einfach beliebt gemacht bei der neuen Führung, indem ihr gemacht habt, was sie wollte?

Wir waren loyal, diskutierten zuerst mit ihnen, bevor wir mit etwas zur Presse rannten. Das kam gut an. Wir waren aber auch kritisch und forderten Transparenz, beispielsweise punkto E-Mail-Überwachung.

Die Studis wissen aber immer noch nicht, ob ihre Konten nun gescannt wurden von der Staatsanwaltschaft.

Das VSUZH-Präsidium wurde darüber informiert. Wir dürfen aber nichts sagen, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Weil wir die Infos bekamen, die wir wollten, haben wir beschlossen, uns daran zu halten.

Du hast mal gesagt, das Ziel sei es 75 Prozent der Studis im VSUZH zu organisieren. Nun sind es nur knapp 50 Prozent. Tendenz eher abnehmend. Das ist eine Niederlage.

Nein. Ich habe das in etwa so erwartet. Wir sind der Studierendenverband in der Schweiz mit wahrscheinlich dem relativ gesehen kleinsten Budget und mit dem einfachsten Austrittsverfahren. Zudem stecken unsere Dienstleistungen noch in den Kinderschuhen. Es wird noch Jahre dauern, bis wir so gut aufgestellt sind wie ein VSETH, der jüngst sein 150-jähriges Jubiläum feierte. Aber 75 Prozent bleibt das Ziel.

Schon bei der Gründung des VSUZH habt ihr euch doch über den Tisch ziehen lassen. Den Politikern machtet ihr die Konzessionen, zum Beispiel, dass ihr euch nicht politisch äussern dürft.

Da muss ich widersprechen. Dass wir uns nur zur Politik im Zusammenhang mit der Uni äussern dürfen, ist politische Realität in der Schweiz und gilt für alle Studierendenschaften. Wir haben genug Spielraum uns etwa zur Migrationspolitik zu äussern. Weil sie uns auch direkt betrifft. Stichwort Erasmus. Was uns eher Mühe macht, ist die einfache Möglichkeit auszutreten. Das kann zu starken Schwankungen führen. Das Risiko ist enorm und wir können kaum langfristig planen, weil wir nicht wissen, wie viel Geld wir budgetieren dürfen. Die Uni müssten da einspringen und uns zum Beispiel eine Sekretariatsstelle langfristig finanzieren.

Aber der VSUZH ist doch kein Löwe, wie ihr behauptet, sondern ein zahmes Kätzchen.

Das hängt ganz von der Politik des VSUZH ab. Wenn man es richtig macht, ist der VSUZH ein mächtiger Löwe. Zukünftige Studipolitiker müssen den Mut haben, sich einzumischen. Und das klug. Für uns hiess das: Zu Mörgeli sagen wir nichts, zur E-Mail-Durchsuchung und zu Erasmus mischen wir uns ein.

Nun ist eine neue Generation StudipolitikerInnen am Werk. Du bist der letzte Copräsident, der schon im alten StuRa aktiv war. Was machen die neuen anders?

Als wir die Wiedereinführung einer verfassten Studierendenschaft vorantrieben, dachten wir mindestens 10 Jahre voraus. Fragten uns, welche Probleme diese oder jene Formulierung in den Statuten mit sich bringen könnte, was für Herausforderungen auf uns zukommen. Die heutigen VSUZH-Rätinnen und –Räte denken kurzfristiger und fragen schnell: «Warum braucht es diesen Paragraphen?»

Was würdest du Ihnen mit auf den Weg geben?

Seit mutig! Mischt euch ein! Kürzlich wurde im Rat darüber diskutiert, ob wir der VSUZH, uns zur Qualität der Lehre äussern dürfen. Das dürfen wir nicht nur, das müssen wir! Es ist zudem wichtig eine Kontinuität aufzubauen. Unipolitik hat immer das Problem, dass die Leute nach zwei Jahren oder gar einem Jahr wieder weg sind. Wir müssen Strukturen schaffen, die bestehen, auch wenn mal eine Flaute herrscht im VSUZH. Das ist aber nicht nur Sache des Verbandes. Da ist auch die Unileitung gefordert. Sie macht es sich zu einfach, wenn sie sagt, die studentische Mitsprache sei schwierig zu realisieren, weil die Akteure immer wechseln. Die Unileitung muss Strukturen schaffen, die eine Mitsprache ermöglichen. Zum Beispiel regelmässige Briefings oder auch Anleitungen und Handbücher und instituionalisierte Treffen an denen vieles wieder von Null angegangen wird.

Was hat dich am meisten gefreut, in deiner Zeit als Studipolitiker?

Das Gefühl etwas verändern zu können. Es war eine grossartige Zeit, in der viele Freundschaften entstanden.

Was hat dich am meisten geärgert?

Am meisten schockiert war ich zu gewissen Zeiten von der Arbeit im VSUZH-Vorstand und zum Teil auch im Rat. Es gibt Leute, denen es nur um Macht geht. Vielleicht bin ich etwas naiv an die Sache herangegangen und dachte, wir Studis halten zusammen, damit unsere Stimme überhaupt gehört wird. Aber das Ausmass, in dem um Macht, Einfluss und Ämter geschachert wurde, hat mich echt schockiert. Es gab Zeiten in den ich kurz vor dem Burnout stand.

Was sind deine Ziele für die Zukunft? Nationalrat?

Überlegt

Für welche Partei?

Wenn dann SP, aber ich habe mich eigentlich entschieden, mich nicht mehr zu engagieren. Aber wer einmal etwas verändern konnte, der will es wieder. Es graut mir vor der Politik und gleichzeitig reizt sie mich.

Julian Renninger ist 24 Jahre alt und studiert Volkswirtschaft. Im Herbst 2011 wurde er als Mitglied der Gruppe filo in den Studierendenrat (StuRa) gewählt. Ein Jahr später in den Vorstand. Ende Mai 2013 übernahm er zusammen mit Oriana Schällibaum das erste Präsidium des wieder rechtlich eigenständigen Studierendenverbands VSUZH.