Arbeitslos nach dem Abschluss

Wie prekär leben Studierende? Wie gross ist die Lohnungleichheit zwischen Studentinnen und Studenten? Handlungsbedarf besteht, Lösungsansätze gibt es jedoch kaum.

21. März 2014

Dass der Übergang vom Studium ins Berufsleben für Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler oftmals harzig ist, wissen die meisten. Trotzdem will niemand so recht daran glauben, dass man selbst betroffen sein könnte. Sara* kann davon ein Lied singen: Nach ihrem Studium der Populären Kulturen und der Kulturanalyse war sie ein Jahr lang auf der Suche nach einer Anstellung. Gut 120 Bewerbungen hat sie dafür abgeschickt. Trotz Berufserfahrung hat sie keine Zusage erhalten. Claire studiert Philosophie im Master und arbeitet Teilzeit in einem kleinen Stadtzürcher Theater. Dort sind die Mittel – wie in den meisten Kulturinstitutionen – begrenzt. Ihr ist bewusst, dass sie ohne die Unterstützung ihrer Eltern ein Problem hätte. Die Wirtschaftsstudentin Mirjam arbeitet auf einer Schweizer Grossbank – und ihr männlicher Mitarbeiter verdient mit einem Mathematik-Bachelorabschluss sogar weniger als sie. Sind die Lebensläufe der drei Studentinnen Zufall? Oder steckt doch mehr dahinter?

Workshop zur Prekarisierung

Mit diesen Fragen setzte sich die Gleichstellungskommission (GSK) des VSUZH am Mittwochabend in ihrem allerersten Workshop auseinander. Unter dem Titel «Zur Prekarisierung von Studierendenjobs» diskutierten gut ein Dutzend Studierende über Lohnverhandlungen, Stipendien, die Generation Praktikum und vor allem: über die ungerechte Bezahlung von Arbeitnehmerinnen. Die Erfahrungen der Besucherinnen und Besucher und die hard facts vom Bundesamt für Statistik dienten als Grundlage für die Diskussion. Wie die Referentin Letizia Carigiet, Co-Präsidentin der Gleichstellungskommission des VSS, dokumentierte, gingen 2009 drei Viertel aller Studierenden in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nach – davon arbeiten 83 Prozent während der Vorlesungszeit.

Der Knackpunkt an der gesamten Diskussion: Studien zur Prekarisierung von Studierendenjobs gibt es nicht – schon gar nicht solche, die nach Geschlecht aufgeschlüsselt sind. Mögliche Schlüsse lassen sich nur aus der Kombination verschiedener Zahlen ziehen. So etwa aus dem Umstand, dass Studierende 2005 höhere Monatsausgaben hatten als 2009, obwohl die Löhne gesamthaft gestiegen sind. Nimmt man die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen dazu, tauchen wichtige Fragen auf: Gehören Studentinnen auf dem Arbeitsmarkt zu den Verliererinnen? Wenn ja, woran liegt das – und was kann dagegen unternommen werden?

Weniger Selbstvertrauen?

Die Ursachen für die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen sind äusserst vielfältig: Viele Ausschreibungen, die sich direkt oder indirekt an Frauen richten, sind administrative Hilfstätigkeiten oder Allrounderjobs. Sie werden meistens schlechter entlöhnt und bieten zudem geringere Aufstiegsmöglichkeiten. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Frauen mit weniger Selbstbewusstsein in Lohnverhandlungen treten und ihren effektiven Marktwert unterschätzen. Nicht zuletzt hält sich die patriarchalische Vorstellung vom Mann als Haupternährer und der Frau als Zuverdienerin vielerorts hartnäckig. Die Konsequenz daraus sind 18.4 Prozent Lohndifferenz – das heisst, dass Frauen bis zum 7. März arbeiten müssten, bis sie gleich viel verdient haben wie ihre Kollegen bis Ende des Vorjahres. Deshalb fällt der Equal Pay Day auf genau dieses Datum.

Es steht also ausser Frage, dass Handlungsbedarf besteht– zufriedenstellende Lösungsansätze, wie den Lohnungleichheiten zwischen den Geschlechtern entgegengewirkt werden kann, gibt es bisher jedoch nicht. Denn zwar werden Workshops für Lohnverhandlungen und sogenannte «Persönlichkeitsarbeit» oder gar «Empowerment» angeboten. Wie Fabienne von der GSK mutmasst, kann der strukturellen Ungerechtigkeit aber auf dieser Ebene nicht begegnet werden. Ein erster Schritt sei das Gespräch mit anderen, meinte Mirjam schliesslich. «Von der Schweizer Eigenheit, nicht über den Lohn zu sprechen, profitieren schliesslich gerade die Arbeitgeberinnen und Arbeiter.» Um die Strukturen begreiflich zu machen, auf denen die ungerechte Lohnverteilung gründet, will die GSK bald einen weiteren Workshop anbieten und das Thema in Gesprächen bearbeiten. Gewiss aber würde eine Studie zu den möglicherweise prekären Arbeitsbedingungen von (weiblichen wie männlichen) Studierenden die Arbeit der Kommission erleichtern, denn diese würde für die weitere Auseinandersetzung eine klare Argumentationsgrundlage bieten.

* Name der Redaktorin bekannt.