Im Dezember 2012 demonstrierte der VSETH noch, als bekannt wurde, dass die ETH ihre Gebühren um 100% erhöht. Heute demonstriert niemand, obwohl ausländische Studierende vielleicht bald drei Mal mehr zahlen müssen. VSETH

ETH: Verdreifachung der Studiengebühren droht

Nächste Woche stimmt der Nationalrat über die Motion «ETH. Gerechte Studiengebühren» ab. Hernani Marques* findet diesen Vorstoss alles andere als gerecht. Ein Kommentar.

28. Februar 2014

Die SP und die SVP sind sich in einem Punkt einig. In der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative soll die Zahl der ausländischen Studierenden mit Geld und nicht mit Quoten gesteuert werden. Was die wenigsten Studierenden wissen: Der Nationalrat trifft in weniger als einer Woche eine Entscheidung von grosser Tragweite. Den Studierenden der ETH droht eine Erhöhung der Studiengebühren. Bisher kosteten vor allem die Hochschulen in St. Gallen und im Tessin viel. Studierende (je nach Nationalität oder Aufenthaltsstatus) zahlten 4'000 bis 8'000 Franken Gebühren pro Jahr. In Genf dagegen kosten zwei Semester lediglich 1'000 Franken.

Die Motion «ETH. Gerechte Studiengebühren»

Am Donnerstag, 6. März 2014 stimmt der Nationalrat über die Motion «ETH. Gerechte Studiengebühren» ab. Kommt die Motion durch, so könnte der ETH-Rat die Studiengebühren für Bildungsinländerinnen und -inländer ohne klare Grenzen erhöhen – sofern der Bundesrat zustimmt. Dies trifft auf Schweizerinnen und Schweizer, sowie hier (elterlich) verwurzelten Ausländerinnen und Ausländern zu. Weiter sollen die Gebühren für Bildungsausländerinnen und -ausländer verdreifacht werden. Nach heutigem Stand wäre dies eine Summe von rund 3'500 Franken im Jahr. Zu dieser Gruppe gehören Menschen ausländischer Herkunft, welche in die Schweiz gekommen sind, um hier zu studieren und zu forschen. Würden die Gebühren für die Bildungsinländerinnen und -inländer verdoppelt, läge der zugelassene Betrag für die ausländischen Studierenden gar bei 7'000 Franken im Jahr. Zudem sind angesichts der ausgesetzten Erasmus-Verträge selbst einzelne Austauschsemester für Studierende aus dem Ausland bald unbezahlbar.

Hochschulen aller Kantone: Hört die Signale!

Es ist naiv davon auszugehen, dass Gebührenerhöhungen im ETH-Bereich, zumal zum einen in Zürich, zum anderen in der Romandie, schweizweit folgenlos bleiben. Wie sieht eine Universität Zürich oder Lausanne aus, die einfach «billig» besucht werden kann? Würde sie neben der finanziell unnahbaren, prestigeträchtigen ETH schlecht aussehen? Wenn das neoliberale Mantra von «Was nichts kostet, ist nichts wert» opportun wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis entsprechende Vorstösse zu Gebührenerhöhungen aus allen Schweizer Universitätskantonen kommen.

Wie kam es überhaupt zu dieser Motion?

Zunächst scheiterte in jüngerer Zeit der Versuch von SP-Nationalrat Mathias Reynard, die Pläne des ETH-Rats zu verhindern, die Gebühren für alle zu verdoppeln. Die SP zeigte sich von der Bildungskommission enttäuscht, welche die Niederlage eingeleitet hatte. Die SP teilte sodann mit, man habe die Möglichkeit zur «Chancengleichheit» verpasst und der «Recht auf Bildung» nicht wahrgenommen. Diese Prinzipien gingen offensichtlich schnell vergessen, denn der SP-Mann Roger Nordmann reichte eine Motion ein, mit der die Verdreifachung der Gebühren für Ausländerinnen und Ausländer ermöglicht werden soll.

Bloss: Die Gebührenerhöhung für Bildungsinländerinnen und -inländer sollte höchstens entsprechend der Teuerung möglich sein. Die Motion wurde zu einer guten Hälfte von SP-Nationalrätinnen und -räte mitgezeichnet. Selbst Reynard gab sein Unterstützungsvotum ab, obwohl sich dieser zuvor gegen die Erhöhungen gestellt hatte. Als sich aber abzeichnete, dass die Bildungskommission dem ETH-Rat und dem Bundesrat gerne freie Hand gewähren würde, zog Roger Nordmann seine Initiative zurück – zugunsten der verschärften Variante, über welche nächste Woche im Nationalrat entschieden wird. Die problematische und starke Unterstützung der SP ist geblieben.

Die SP-Faktion steht rechts

Die SVP unterstützt die modifizierte Motion Nordmanns. Es liegt auf der Hand, dass sie die Akademisierung reduzieren möchten sowie die Einwanderungszahlen steuern wollen. Bei der CVP und FDP sind die Positionen gespalten. Es wirkt befremdend, dass die SP und die SVP zusammen eine Front bilden, wenn aus gut informierter Quelle bekannt ist, dass sowohl die Grünen als auch die Grünliberalen gegen die Motion sind. Die SP Kanton Zürich unterstützt die Bildungsinitiative Zürich BIZH. Diese fordert eine Abschaffung von Studiengebühren im Kanton Zürich. Konfrontiert man lokale SP-Nationalrätinnen und -räte damit oder weist sie auf das Parteiprogramm hin, welche Bildung als Recht und nicht als Ware sieht, so sagen sie, die Gebührenerhöhung sei ein notwendiges Übel, um «Schlimmeres» für inländische Studierende zu verhindern.

Wie steht es um die Studierendenverbände?

Einige Studierendenverbände agieren im Hintergrund, viele schweigen. Sowohl die Studierendenvertretungen der beiden ETHs (VSETH und agepoly) als auch der VSS versuchen, bei den Fraktionen zu lobbyieren. Mit Ausnahme der Genfer Studierendengewerkschaft CUAE mangelt es den offiziellen schweizerischen Verbänden von Studierenden offenbar an der nötigen konfrontativen Haltung, bedeutende Weichenstellungen zu beeinflussen. Dies ist auch Grund dafür, weshalb die CUAE sich weigert, Teil des Schweizerischen Studierendenverbands VSS zu sein: Sie will nicht das herrschende System stützen. In diesen Tagen droht die Hierarchie im Studium viel stärker als bis anhin entlang der sozio-ökonomischen Verhältnissen der Studierenden aufgegleist zu werden. Doch ein resolutes Handeln seitens der Studierendenverbände bleibt leider aus. Sie sind im Zuge der Entpolitisierung nicht bereit, politische Interessenskonflikte auszutragen.

Ob das im Sinne der Studierenden ist, sei dahingestellt.

*Hernani Marques ist Student der Universität Zürich, kriPo-Mitglied und

ehemaliges Mitglied des StuRa-Vorstandes