Ex-Rektorin Verena Meyer: «Heute müsste ich es mir zweimal überlegen.» Anna Dettwiler

Die Rektorin

Bis heute schaffte es mit Verena Meyer erst eine Frau an die Spitze der Universität Zürich. Sie sagt, das sei Zufall gewesen.

26. Februar 2014

Die Politik diskutiert über die Einführung von Frauenquoten, der VSUZH ringt ebenfalls um eine entsprechende Regelung in seinen Gremien. Auf den nun wieder neu besetzten Stuhl des Rektors jedoch schaffte es in der 181-jährigen Geschichte der Universität Zürich bisher erst eine Frau. Verena Meyer, heute 84 Jahre alt, stand der Uni ab 1982 während zweier Jahre vor.

Das Umfeld als Glücksfall

Damit es Meyer bis zur Rektorin der Universität Zürich schaffte, brauchte es eine grosse Portion Glück und Wohlwollen. Sie schloss 1954 ihr Studium der Physik ab. Die Wahl ihres Fachs sollte den Grundstein für ihre spätere Laufbahn an der Universität legen. «Es war eine spannende Zeit damals am Institut», erinnert sich Meyer. Mit Hans Staub kam eine Grösse der damaligen Forschung vom Kernforschungszentrum in Los Alamos – dem Geburtsort der Atombombe – zurück nach Zürich. Mit seiner Lehre der modernen Physik krempelte Staub den Lehrstuhl an der Uni komplett um. Ihm verdankt Meyer, dass sie überhaupt Professorin geworden ist: «Jemand anderes wäre damals vielleicht der Auffassung gewesen, Frauen verstünden sowieso nichts von dieser Sache. Dann wäre es für mich natürlich schwierig geworden.» Das Umfeld an der Universität erwies sich für Verena Meyer als Glücksfall. 1968 wurde sie ordentliche Professorin für Experimentalphysik, nachdem sie bereits fünf Jahre eine ausserordentliche Professur besetzt hatte. Sowohl der Lehrstuhl um Hans Staub als auch die gesamte Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, damals noch Phil. II

genannt, zeigten Mitte der 1970er Jahre keinerlei Vorbehalte gegenüber akademischen Karrieren von Frauen. «Die hatten richtig Freude, eine Frau präsentieren zu können, und haben mich deshalb auch unterstützt.»

Als es Rektorinnen noch leicht hatten

1976 wurde Meyer Dekanin, ihren Aufstieg zur Rektorin beschreibt sie nüchtern. «Damals wurde der Stuhl des Rektors noch im Turnusverfahren an die Fakultäten vergeben. Es war also Zufall, dass zu jener Zeit gerade meine Fakultät an der Reihe war.» Die zusätzliche Belastung durch das Amt der Rektorin nahm Meyer gerne in Kauf – aus purem Interesse, wie sie selber sagt. Mit dem heutigen Posten des Rektors würde sie ihre damalige Funktion nicht vergleichen. «Zur damaligen Zeit umfasste das Rektorat vor allem repräsentative Aufgaben. So gesehen hatte ich noch ein schönes Leben als Rektorin. Heute ist das viel anspruchsvoller geworden.» In der gestiegenen Belastung durch das Amt sieht Meyer auch den Grund, weshalb sie bis heute die einzige Rektorin geblieben ist. Mit einer Familie sei dieser Aufwand kaum zu bewältigen.

Die Entwicklung der aktuellen Uni-Politik verfolgt Meyer auch heute noch interessiert. Sie kann ihr indes nicht nur Positives abgewinnen: «Über das Bologna System beispielsweise bin ich nicht glücklich.» Wenn sie das Amt der Rektorin nochmals angeboten bekäme, müsste sie es sich heute zweimal überlegen. Trotz oder gerade wegen der vielen Baustellen gibt sie dem neuen Rektor Michael Hengartner den Wunsch mit auf den Weg, nicht alles allzu ernst zu nehmen. «Er soll mit der nötigen Gelassenheit und Ruhe die Universität nach bestem Gewissen führen.» ◊