Peter Brugger hinterfragt in seiner Show Esoterik und Wissenschaft. Tamara Aepli

Vom Labor auf die Bühne

Der Zürcher Hirnforscher Peter Brugger zeigt seine Erkenntnisse in einer Show.

28. November 2013

Spontaneität gibt es nicht. Freie Entscheidungen genauso wenig. Dies ist Peter Bruggers Devise. Er ist Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich. Seit einem Vierteljahrhundert forscht er in den Bereichen der Neurologie und Kognitionspsychologie. Ausgerechnet sein eigener Aberglaube und die Faszination für übernatürliche Ereignisse brachten ihn zu dieser Wissenschaft. «Ich war fest davon überzeugt, dass ich Gedankenverbindungen mit anderen Menschen aufbauen kann», erzählt Brugger und schmunzelt. Dies trieb ihn dazu an, mehr über das Nervensystem im Hirn herauszufinden.

Als junger Student an der Uni Zürich wollte er beweisen, dass es für spirituelle Vorgänge wie Telepathie ein Zentrum in der rechten Hirnhälfte gibt, dessen Existenz er wissenschaftlich zu belegen gedachte. Nach unzähligen Versuchen musste er einsehen, dass es nur eine logische Erklärung für solche spirituellen Erfahrungen gibt: das menschliche Streben nach Ordnung. «Der Mensch versucht für alles, was ihm widerfährt, eine Erklärung zu finden», so Brugger. Wer kennt die Situation nicht, in der man von einer Person spricht und diese im nächsten Augenblick das Zimmer betritt? Daraus aber abzuleiten, man sei spirituell begabt und habe die Anwesenheit der Person im Voraus gespürt, sei Quatsch, sagt Brugger: «Es gibt die unglaublichsten Zufälle.»

Bühne frei für den Professor

Im März bringt Brugger Teile seiner Forschung auf die Bühne. Er ist die Hauptperson der Interactive Science Show. Diese will den Zuschauern auf unterhaltsame Weise die Welt des Neurowissenschaftlers näher bringen. «Es geht nicht darum, die Astrologie zu widerlegen, sondern zu zeigen, dass auch andere Kräfte wirken», so Brugger. Dies zeigt er etwa anhand von Horoskopen. «Die haben meist etwas drin, was jeden anspricht. Da steht beispielsweise: Eigentlich bin ich ein mitteilungsfreudiger Mensch, obwohl ich manchmal zurückhaltend bin.» Weil sich in Sätzen wie diesem jeder wiedererkennen könne, seien sie letztlich nicht aussagekräftig. Es gebe aber Forschungsergebnisse, die zeigen, dass der Geburtsmonat durchaus gewisse determinierende Wirkungen haben kann: Es gibt Studien, die aufzeigen, dass Märzgeborene öfter an Schizophrenie erkranken als andere, weiss Brugger. Weiter sagt er, dass überdurchschnittlich viele Menschen, die in Psychiatrien behandelt werden, im Sternzeichen Fisch geboren wurden. «Da kann man sich fragen, ob das Astrologie ist oder nicht.» Die Interactive Science Show will Antworten auf Fragen wie diese liefern, welche nichts mit den Sternen am Himmel zu tun haben. Bruggers Forschungsgebiete wie Zufall oder Aberglaube werden an diesem Abend unterhaltsam erklärt, und zeitweise müssen auch die Zuschauer als Versuchskaninchen herhalten. «Ich möchte meine Erkenntnisse mit Alltagstricks spielerisch und persönlich vermitteln anstatt vom hohen wissenschaftlichen Ross herab», sagt Brugger zu seiner Vorführung, die vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert wird. Die Premiere findet im März im Zürcher Schauspielhaus statt. Das genaue Datum ist noch nicht bekannt.

Spontaneität ist nichts als Einbildung

Peter Brugger ist heute ein erklärter Gegner esoterischen Gedankenguts. Aus seiner Sicht kann Aberglaube sogar gefährlich werden, etwa wenn bei der Behandlung von schweren Krankheiten esoterische Alternativmethoden der Schulmedizin vorgezogen werden. Allerdings sieht er sich nicht als Kämpfer, der den Leuten mit erhobenem Zeigefinger den Aberglauben austreiben will. «Ich möchte lieber überzeugen und Alternativen zeigen», so der Wissenschafter. Er versteht gut, wie schwierig es ist, von altbekannten Gewohnheiten loszukommen. «Als ich noch an Übernatürliches geglaubt habe, hätte ich mich auch nicht bekehren lassen, ich habe das selber machen müssen», sagt er. Mittlerweile benötigt Brugger keine Gedankenübertragung mehr, um das Verhalten von Lebewesen vorauszusagen. Dies klappt mit seiner Wissenschaft bestens. Als Beispiel nennt er das Verhalten einer Laborratte, die in einem Labyrinth vor die Wahl gestellt wird, an einer Verzweigung entweder links oder rechts abzubiegen. Die Entscheidung scheint völlig willkürlich. Hat man die Ratte jedoch zuvor bereits einmal gezwungen, links abzubiegen, entscheiden sich mehr als zwei Drittel der Tiere anschliessend für die rechte Abzweigung. Dies deutet darauf hin, dass der sogenannte freie Wille eines Lebewesens nichts weiter als ein Impuls ist und Entscheidungen nur selten spontan gefällt werden. Viel eher stehen sie stets mit früheren Erfahrungen in Verbindung. Mit seiner Forschung zur vermeintlichen Spontaneität kann er Verhalten voraussagen, ob an der Börse oder im Spielcasino. Mit diesen Erkenntnissen Geld zu machen, interessiert Brugger nicht. Viel lieber forscht er am Universitätsspital Zürich.

Nicht alles ist vorhersehbar

«Wir wollen nicht den Wissenschaftler auf die Bühne stellen und dem Publikum sagen, dass ist alles genau so und so», sagt Simon Helbling, Regisseur der Interactive Science Show. Darum steht neben Peter Brugger auch ein Schauspieler im Rampenlicht, der eine ganz andere Sicht der Dinge hat. Auf der Bühne soll nicht nur die Esoterik, sondern auch die Wissenschaft hinterfragt werden. Angst, dass seine Experimente mit den Gästen live nicht wie geplant klappen, hat Brugger nicht. Er wolle das wirkliche Leben auf die Bühne bringen. «Da kann ich nicht verhindern, dass mal etwas schief geht», meint er. Ob die wissenschaftlichen Experimente das Publikum so zum Staunen bringen werden, wie er sich das vorstellt, könne er nun mal nicht vorhersehen.

Neurologie

Das medizinische Fachgebiet beschäftigt sich mit Erkrankungen des Nervensystems; dazu gehören Gehirn, Rückenmark und periphere Nerven. So fallen etwa die Diagnose und Therapie von Kopfschmerz­erkrankungen, Multipler Sklerose, Schlaganfällen oder Muskelerkrankungen in die Disziplin. Die Schweiz gilt in Sachen Behandlung neurologischer Krankheiten als Vorzeigemodell: Universitätskliniken und grössere Kantonsspitäler unterhalten eigene Abteilungen. Hinzu kommen zahlreiche spezialisierte Privatpraxen.

Interactive Science Show

Die neue Show mit Elementen aus Theater, Quizshow und Live-Experiment startet im Frühjahr 2014 und wird unter anderem in Zürich, Basel und Bern stattfinden. Die Daten werden noch bekannt gegeben.